Kontaktloses Bezahlen als Norm, Steuern und Rechnungen per App zahlen und Onlinebestellungen innerhalb von Stunden erhalten sind die häufigsten Rhetoriken, wenn es darum geht, wie viel „weiter“ Chinas Digitalisierung in der Realität ist – zumindest in den großen Metropolen mit all ihren Wolkenkratzern.
Un obwohl China in vielen Bereichen sogar in der Zukunft angekommen ist und wegweisend ist, wie ein digitales Modell funktionien kann, gibt es immer noch einen Bereich, der nicht veralteter sein könnte und immer wieder Joint Ventures und lokale Unternehmen in den Ruin treibt: Der Firmenstempel bzw. das Firmensiegel.
Verträge können nicht wie gewohnt unterschrieben werden und sind somit gültig, sondern müssen jeweils am Ende und Seitenübergreifend ebenfalls mit dem Firmenstempel versehen werden. Die Stempel sind mit der Polizei registriert und besitzen begleitende Echtheitszertifikate.
Es gibt drei notwendige Stempel in China: Der Firmenstempel, Finanzstempel und Zollstempel. Zusätzlich kann jedes Unternehmen noch z.B. Abteilungsleitern und Rechtsvertretern einen Stempel zuteilen oder speziell für Verträge einen eigenen Stempel, der ebenfalls registriert werden muss, zur Verfügung stellen.
Der Heilige Gral, der Firmenstempel selbst, besitzt die größtmögliche Autorität und ist aus diesem Grund eines der best beschützten Gegenstände im Besitz eines chinesischen Unternehmens. Jedes Unternehmen muss aus diesem Grund ein System einführen, um einen Missbrauch des Stempels zu garantieren.
Besonders in 50-50 Joint Ventures ist es möglich, dass eine der gleichberechtigten Seiten den Firmenstempel regelrecht stiehlt und somit Kontrolle über das Unternehmen erhält, da die Gegenseite lahmgelegt wird und nicht als Firma agieren kann.
In der Vergangenheit gab es ebenfalls Fälle in denen gewaltsam der Firmenstempel in Besitz gebracht wurde.
Einer der skurrilsten Vorfälle ist das E-Commerce Unternehmen Dangdang (当当网), welches auch im amerikanischen NASDAQ gelistet ist. Der Mitgründer Li Guoqing, nachdem dieser bereits seinen Rücktritt aus der Firma bestätigt hat, sich in einem Disput über Kompensation und Anteile mit seine Ex-Frau und ebenfalls Mitgründerin Yu Yu befindet, soll im April 2020 in das Büro eingebrochen sein, um die Firmenstempel zu stehlen.
Anschließend hat dieser ein offizielles Statement mit den gestohlenen Stempeln veröffentlicht und sich selbst zum General Manager und Vorstandvorsitzenden gemacht, obwohl seine Exfrau Yu Yu über 53% der Anteile besitzen soll. Diese Übernahme wurde binnen kürzester Zeit als ungültig erklärt und die Stempel gewechselt.
Wirklich erschreckend an diesem Fall ist allerdings, dass im Juni 2020 ein Gericht bestätigt hat, dass keine illegalen Aktivitäten durch Li Guoqing erkennbar sind. Dang Dang, vertreten durch Yu Yu und Vizepräsident Kan Ming, legte Revision ein und hofft, dass der ehemalige Gründer bestraft wird.
Update 08.06.2020: Li Guoqing brach erneut in das Büro von Dang Dang ein, um Dokumente aus diversen Safes zu sichern. Mit rund 20 Mann erzwang sich dieser Eintritt in das Büro und versuchte Safes aufzubrechen. Die Polizei wurde gerufen und nahm Li fest. Dieser kämpft, laut eigenen Aussagen auf Chinas Twitter-ähnlichen Plattform Weibo, dafür, dass seine Ex-Frau Yu das Unternehmen verlassen muss. Laut eigenen Aussagen, die allerdings schwer zu glauben sind, sollen mehr als die Hälfte der Vorstandsvorsitzenden auf der Seite von Li Guoqing sein.
Es sei dazu zu sagen, dass solche Fälle in den chinesischen Medien nur spärlich besprochen werden. Kritik an dem Urteil gegenüber Li Guoqing wird weitesgehend nicht von großen Medien verbreitet und kann gegebenenfalls zensiert werden.
Das momentane arm Disaster
Der britische Lizenzgeber für ARM-Chiptechnologie Arm Holdings, ein Tochterunternehmen der japanischen Softbank, welches Technologie and z.B. Apple, Huawei und Samsung lizensiert, steckt in einer ähnlichen „Stempel-Krise“ mit dem eigenen Joint Venture Arm Technology (China) Co..
Der CEO Allen Wu begang Vertragsbruch, da dieser bereits im July 2019 den Investmentfond Alphatecture gegründet hat und arm Kunden versprach, die Technologie des Mutterkonzerns günstiger lizenzieren zu können. Die Zentrale, die erst später von dem Ausmaß dieses gierigen Fehlverhaltens erfuhr, reagierte sofort und in einer Vorstandssitzung wurde einstimming für einen Ausschluss von Wu gestimmt.
Auch der Vorstand in China wählte für den Ausschluss von Wu mit sieben zu einer Stimme. Der Große Fehler war allerdings, dass der Mutterkonzern im Ausland nur 49% der Anteile von arm China besitzt.
Wu will seinen Posten als gesetzlicher Vertreter nicht aufgeben und ist unter der Kontrolle des Firmenstempels. Laut einem sehr ausführlichen Financial Times Artikels zu diesem Thema, sei dies eine Taktik, um Kompensation vom Unternehmen zu erhalten.
Um Wu schlussendlich zu stürzen, die Stempel zu ersetzen und Kontrolle über das Unternehmen zurück zu erlangen könnte für das ausländische Unternehmen Monate und Jahre dauern. Als Resultat könnte das Unternehmen in dieser Zeit in China keine Dokumente unterzeichnen. Das geistige Eigentum des Mutterkonzerns ist ebenfalls durch dieses Disaster in Gefahr.
Natürlich sind diese Fälle nur Ausnahmen, aber der Trend und gerade die Machtlosigkeit ausländischer Unternehmen gegenüber diesen (kalkulierten) Maßnahmen zeigen, dass dieses veraltete System nicht nur überholt ist, sondern aktive Schäden anrichtet, die vermeidbar sind.