Schon mal Kontakt mit einem China-Shop gehabt? Nein? Dann will ich euch in dieser Kolumnen-Serie erklären, wieso China-Shops ihre Produkte jedem Social-Media Account mit mehr als 10 Followern in den Rachen werfen und wie so eine Armee an ‚Influencern‘ nahezu aus dem Nichts aufgetaucht ist.
Genau diesen beiden Seiten möchte ich mich in dieser Kolumne widmen. Dieses Feld ist voll mit Lügen, Zensur und schlechten Kampagnen & Testberichten. Keiner berichtet wirklich kritisch und offen. Schließlich heißt es: „Nie die Hand beißen, die einen füttert“.
Warum Shops und Marken hauptsächlich für diese Problematik verantwortlich sind, will ich euch in diesem Rant erklären. Teil Zwei widmet sich anschließend den Influencern selbst!
Ausschließlich produktzentriertes Marketing
„Hey, kann ich dir ein Smartphone schicken?“, ist wohl einer der Hauptsätze die besagte ‚Influencer‘ regelmäßig hören. Sobald die eigene Webseite oder das Social Media Profil nur im entferntesten China-Produkte erwähnt, steht eine Armee von „Sales Spezialisten“ der Shops & Marken Schlange.
Diese schreiben dann haufenweise e-Mails im Stil Copy & Paste. Keine persönliche Anrede, keine vernünftige Einleitung, keine zusätzlichen Infos im Anhang – nichts. Ein Beispiel wäre diese Nachricht eines bekannteren Smartphoneherstellers:
Im Anhang befindet sich dann im besten Falle ein Render des Gerätes und Produktspezifikationen. Oft kommt noch irgendein zusammenhangloser Text hinzu, warum dies das revolutionärste Produkt der Welt sei.
Es geht so weit, dass Techkou mittlerweile folgende skurrile Dinge angeboten bekommen hat:
- Kronleuchter von Amazon (??)
- Kostenpflichtige YouTube-Downloader (+ CD-Key)
- Einen iPhone X Klon als Reaktion auf meine Artikel
- Sexspielzeug für Frauen (?!)
Dementgegen verlieren die meisten China-Marken, die einen anschreiben, direkt das Interesse, sobald man ihnen freundlich und professionell erklärt, dass keine Produktvorstellungen für eine Gegenleistung von 10€ oder Reviews gegen Ware auf Techkou.net erscheinen werden.
Für viele Andere ist es allerdings einfaches Geld und eine tolle Methode, um ein paar coole Produkte abzustauben. Wer würde es nicht machen? Vor allem, wenn es sich um ein persönliches Hobby handelt, dass dann durch den Shop finanziert wird.
Grausame KPIs in Unternehmen
Schuld an diesem Debakel sind die Sales-Fabriken der Shops und Hersteller. Es werden keine durchdachten Marketingkampagnen entwickelt oder Strategien erstellt. Schließlich liegt die Halbwertszeit der Produkte bei gefühlt 4 Wochen, bevor das nächste Highlight-Flaggschiff-iPhone-Killer angekündigt wird.
Der Key-Performance-Index (KPI) eines jeden Mitarbeiters ist quantifiziert durch Sales und somit ROI (Return of Investment).Das ist Simpel, einfach und kurzfristig gedacht. Genau aus diesem Grund haben chinesische Unternehmen im Bereich Sales oft eine Turnover-Rate von weit über 20%.
Aus diesem Grund wird gespammt wie nur irgend möglich, um die harten Ziele zu erreichen. Werden diese nicht erreicht, fällt der Bonus am Ende des Quartals entsprechend schmal aus – ein Teufelskreis für alle neuen Mitarbeiter, da alle großen Plattformen bereits belegt sind.
Dies ist auch der Grund, warum primär Produktorientiert gearbeitet wird, denn alle anderen Werbekampagnen funktionieren in dieser Konstellation nicht.
Keine Langzeit-Kampagnen
In Deutschlandstehen, in Advertiser- und Sozialmedia-Kreisen, besonders langfristige und durchdachte Kampagnen im Vordergund. Obwohl auch hier gerne mal von größeren Konzernen gefailed wird (Siehe Bild von Corals ‚genialen‘ & glaubhaften Kampagne), wird deutlich mehr theoretische Arbeit in Werbung & Kreativität gesteckt. In China ist dem, aufgrund der deutlich rationaleren Betrachtung und schlechteren Arbeitskräften bzw. geringeren , leider nicht so.
Unglabwürdiges Waschmittel Placement..
Oder Fake-Uhren von GearBest?
Viele Faktoren kommen zusammen, die es oft unmöglich machen langfristige Kampagnen zu verfolgen oder mögliche Influencer sinnvoll und glaubhaft zu unterstützen. Diese sind wie folgt:
- Mangelnde Produktkenntnisse des Sales-Teams
- Rationale und einfache Erfolgsrechnungen wie: ((Spent * Sold) / 3-8) = Budget
- Je besser der ROI des Mitarbeiters, desto besser wird der eigene Bonus ausfallen. Eine Zwickmühle.
- Kein Budget oder Risikobereitschaft für größere Kampagnen
- Nur „Word of Mouth“ und Produktwerbung auf Google und Facebook
Vergessen die Shops ihre eigene Marke?
Das Gerücht, dass der Kundenservice der China-Shops unter aller Sau ist, bestätigt sich leider allzu häufig. Gerade für Ausnahmefälle oder jene, die nicht nach Protokoll gehen, warten Kunden regelmäßig wochenlang auf eine Lösung mit dem Shop.
Auf Amazon oder eBay werden Verkäufer, die diese Hinhaltetaktik anwenden, sehr schnell Restriktionen zum Opfer. Chinesische B2C E-Commerce Plattformen sind von diesem Problem allerdings befreit. Sie machen die Regeln, müssen sich nicht an ein Fernabsatzgesetz halten und haben AGBs, die in Deutschland zu hochpreisigen Abmahnung führen. Nicht zu vergessen, dass ihre Steuerpolitik nicht ganz so ernst genommen wird.
Wird aus diesem Grund die eigene Marke in den Hintergrund gerückt und große Kampagnen, die den Shops als solchen bewerten, sind nicht machbar? Oder lohnt es sich einfach nicht für ein e-Commerce Unternehmen, dass primär von Xiaomis Knappheit im westlichen Markt lebt, guten Service und Transparenz anzubieten?
Immerhin hat Banggood zum 10-Jährigen Jubiläum eine Times Square Werbung gekauft und einen Mitarbeiter nach New York geschickt, um diese aufzunehmen. Fraglich allerdings, ob dies wirklich als Kundenakquise gedacht war oder ob Investoren und Mitarbeiter glücklich gemacht werden sollten. Ich befürchte hier letzteres, denn Banggood (mit ihrem Amazon Logo und Namen) lockt so sicher nicht den durchschnittlichen Elektronikfan mit dieser Anzeige auf die Webseite.
Der Preis ist heiß?
Eines der Hauptargumente für chinesische Smartphones, Elektronik und andere Gadgets ist das ‚unschlagbare‘ Preis-Leistungs-Verhältnis. Dieses wird einem vom Shop durch günstige Preise (oder tausenden Coupons) und völlig überzogenes (oft unprofessionelles) Marketingmaterial vermittelt.
Auch schlechte Reviewer und bezahlte Influencer sind nicht immer die beste Quelle, um Informationen zu sammeln. Bedenkt: Sie bekommen die Geräte geschenkt und haben keinen Cent ausgegeben!
Der Kunde steht dann blöd dar, wenn plötzlich das Leagoo Smartphone einen Trojaner hat oder wenn es nie das versprochene Update für das „so günstige“ Ulefone geben wird.
Viele Marken und Produkte sind immer noch die sagenumwobene Katze im Sack. Ein hübsches YouTube-Video oder ein oberflächliches Review mit fetten Benchmarks, sind kein vernünftiges Kaufargument für Elektronik aus China. Die meisten Fehler befinden sich in anderen Bereichen!
Dennoch beeindruckende Erfolge?
Trotz all den negativen Punkten, ist es dennoch beeindruckend, wie weit es diverse Shops geschafft haben. Das Alexa-Ranking, ein Algorithmus der die beliebtesten Seiten der Welt vergleicht, zeigt, dass China-Shops einen steilen Weg nach vorne gemacht haben:
- Aliexpress Platz 51 weltweit (#9 in Russland)
- GearBest Platz 274 weltweit (#49 in Brasilien)
- Banggood Platz 427 weltweit
Somit lockt Aliexpress mehr Besucher an, als es Amazon.de in Deutschland (Alexa #83) schafft. Natürlich hinkt der Vergleich zwischen nationalen und internationalen Unternehmen, aber dennoch ist es beeindruckend, was die chinesischen Shops und ihre Reviewerarmee auf die Beine gestellt haben.
Wie bereits in einem anderen Artikel erwähnt, werden die meisten Marken gar nicht in China verkauft. So bildete sich um diese Shops ein wahres Ökosystem, welches nun Millionen von Chinesen beschäftigt – größer ist nur die Anzahl an Verkäufern auf Amazon.
Einstiegsdroge Xiaomi?
Alle Medienhäuser der Welt berichten über den aufstrebenden Techgiganten aus dem Land der Mitte. Auch alle Reviewer und Influencer wollen eines der begehrten Geräte in der Hand halten. Nach einem positiven Review stehen auch die Kunden Schlange, um ein vermeintliches Schnäppchen, entgegen der großen Marken wie Apple und Samsung, machen zu können.
Bei dem Preis-Leistungs-Verhältnis von Xiaomi fällt es nicht schwer, sich von einem Reviewer zum Kauf überzeugen zu lassen. Schließlich kommt das Paket auch noch zollfrei und so wird richtig gespart, oder?
Genau darauf hoffen die Shops und setzen deshalb die Preise für Xiaomi Gadgets und Smartphones besonders niedrig an. Gelingt die erste Bestellung problemlos – mit den gewohnten Hindernissen, die erfahrene Käufer zu beruhigen versuchen – ist ein treuer Kunde gewonnen.
Dieser kauft dann hoffentlich eines der Produkte, die eine höhere Marge besitzen oder die eigenen Marken stärken. Somit ist das „Word of Mouth“ System perfekt und es bedarf gar keinen Profi, der einen überzeugen musste.
Laut meiner Erfahrung und Daten kaufen Kunden wesentlich impulsiver und weniger kritisch ein, wenn es sich um eine Empfehlung handelt, die vermeintliches Sparpotential besitzt. Der Reiz ist zu groß und der Influencer, mit all seinen Erklärungen, der Therapeut für nervöse Kunden – schließlich bekommt dieser eine Provision vom Shop.
Insgesamt bietet diese Armee aus Reviewern, Influencern und Newsportalen auf der ganzen Welt wahrscheinlichen besseren Service und Tools, als es je ein Shop tun könnte.
Fazit: Traut keinem Shop und sucht seriöse Tester
Das Marketing der Shops ist plump, erfolgsorientiert und leidenschaftslos. Skaliert wird über Volumen bzw. günstige Preise und nicht über guten Service oder einen guten Ruf. Auch das Produkte durch den Zoll geschmuggelt werden, scheint Hauptargument für einige Käufer zu sein.
Wäre vielleicht so manches Smartphone unattraktiv, wenn es plötzlich 20-30% mehr kosten würde?
und Influencer sind die treibende Kraft, um Neukunden für die Shops zu gewinnen. Mundpropaganda ist einer der wichtigsten Faktoren für diverse Shops. Viele sind sich dieser Verantwortung nicht bewusst und agieren weder kritisch, noch professionell und sorgsam.
Den Influenza-Influencern und schlechten Contentsklaven der Shops will ich mich im zweiten Teil dieser Kolumne widmen. Illegale Onlineshops mit Testgeräten, steuerfreies Einkommen dank China-Shops und Fake-Reviews sind einige der interessanten Themen im kommenden Teil Zwei.