Bei Techkou geht es meist darum, wie ihr Online Marken wie Xiaomi aus China bestellen könnt. Oft machen diese Bestellungen große Probleme für den Kunden in Deutschland. Das Tracking funktioniert nicht, der Anbieter ist nicht Transparent oder es gibt Probleme mit der Garantie.
Viele schließen dann darauf, dass der Onlinehandel in China ebenso chaotisch abläuft. Glücklicherweise ist dem allerdings nicht der Fall und die Chinesen sind in vielen Bereichen meilenweit voraus.
Deshalb möchte ich euch den Ablauf einer meiner letzten Bestellungen auf jd.com, der zweitgrößten e-Commerce Plattform in Mainland China, vorstellen.
Bei JD anmelden und Produkte finden
In China wird ein Personalausweis benötigt, um eine SIM-Karte zu bekommen. Dies hat den Vorteil für Webseiten, dass immer eine echte Person an diese gebunden ist. Aus diesem Grund wird die Mobiltelefonnummer zur Anmeldung für alle Plattformen wie Onlineshopping, Chat-Apps(WeChat 微信 & QQ) und Social Media (Douban 豆瓣, Weibo 微博) genutzt. Selbst wenn Essen über Apps (eleme 饿了么 , Meituan 美团, Dianping 点评) bestellt wird, ist eine Telefonnummer Pflicht.
So ist der Anmeldevorgang deutlich vereinfacht, aber dies bedeutet gleichzeitig, dass jegliche Handlung im Internet auf euch zurückzuführen ist.
Einmal eingeloggt, kann das Shopping losgehen. Leider ist JD.com nur auf chinesisch verfügbar, was aber nach kurzer Eingewöhnungsphase keine große Hürde mehr darstellt. Der Aufbau chinesischer Webseiten ist für minimalistische Deutsche vielleicht etwas überfordernd, aber ergibt Sinn, wenn bedacht wird, dass rund 80% aller Bestellungen auf dem Mobiltelefon getätigt werden.
Eine lange Liste aus Flash-Sales, Angeboten, Gutscheinen und anderen Aktionen folgt, wenn weiter gescrollt wird. Wer allerdings weiß, wonach er sucht, der kommt mit der Suche aus.
Produktsuche nur auf chinesisch
Obwohl viele Händler gerne englische Begriffe, die entweder nicht übersetzt werden können oder einfach „cool klingen“, in ihre Angebote streuen, muss chinesisch genutzt werden. Logisch, JD.com ist schließlich nur in China verfügbar. Es kann in Pinyin (chinesischer Lautschrift ohne Schriftzeichen) oder mit chinesischer Tastatursprache gesucht werden.
Einer meiner letzten Einkäufe ist ein Ledergürtel (皮带, Pídài) und diesem Bestellverlauf möchte ich hier beispielhaft folgen. Es ergeben sich folgende Ergebnisse:
Da ich nicht gerne lange auf der Suche bin, wird der erstbeste Gürtel ausgewählt und dem Warenkorb hinzugefügt. Nun muss die Lieferadresse ausgewählt und die Bezahlung initiiert werden. Dies ist in China kinderleicht und reibungslos.
Fun Facts: In China öffnet jeder Klick ein neues Browsertab. Onlineshopping kann so ganz schön chaotisch werden.
Einkäufe per Smartphone bezahlen
China ist dank Alipay und Wechat das Land der bargeldlosen Bezahlung. Bezahlmethoden wie Rechnung oder Nachnahme gibt es nur selten. Alles läuft mobil oder per Lastschrift und ist in wenigen Schritten vollbracht.
Zuerst muss allerdings die Rechnungadresse bestätigt werden. Diese habe ich, da ich leider viel zu viel bestelle, zuvor im Account bereits hinterlegt.
Da ich allerdings kein Bankkonto hinterlegt habe und alle Bestellungen per WeChat abgewickelt werden, werde ich regelmäßig gefragt, ob ich nicht mein Konto hinterlegen möchte. Es wird sogar ein kleiner Rabatt angeboten, wenn ich dies tue. Aber wozu, wenn alles über das Smartphone abgewickelt wird?
Da JD.com ein Konkurrent der großen Shoppingplattformen tmall.com und taobao.com von Alibaba ist, gibt es keine Möglichkeit mit Alipay zu bezahlen. Dies ist einer der Gründe, warum die meisten Nutzer in China ihr Bankkonto sowohl mit WeChat als auch mit Alipay verbunden haben.
Aus Sicherheitsgründen wird alle 60 Sekunden ein neuer QR-Code generiert. Die Seite muss nun neu geladen werden, um diesen zu erhalten.
Sobald gescannt wurde, öffnet sich ein Passwortfeld auf dem Smartphone, welches Empfänger und entsprechenden Betrag anzeigt. Nun muss das 6-stellige Passwort für WeChat-Bezahlungen eingegeben werden und schon ist der Vorgang abgeschlossen.
Der hier beschriebene Vorgang dauert am PC kaum mehr als 30 Sekunden. Auf dem Smartphone, da hier WeChat direkt im Hintergrund geöffnet ist, dauert der Weg von Warenkorb bis Bestellbestätigung keine 5 Sekunden. Das erhöht die Conversion und macht emotionale Einkäufe deutlich unkomplizierter.
Versandkosten? Die gibt es in China nur selten.
Nun heißt es warten bis das Paket auf die Reise geht und verfolgt werden kann.
Sendungsverfolgung und Lieferung in China
Glücklicherweise ist Jingdong dafür bekannt, dass sie unglaublich schnelle Lieferzeiten besitzen. Werden Pakete aus dem eigenen Lager (Ähnlich wie Amazon Prime bzw. FBA) versendet, dann kann es sogar vorkommen, Bestellungen am selben Tag zu erhalten. Wer eine Plus-Mitgliedschaft (Amazon Prime) besitzt, bekommt diese wahnsinnigen Lieferzeiten auf tausende Produkte garantiert.
Mein Gürtel ist natürlich schon seit einiger Zeit angekommen, aber die Sendungsverfolgung sieht folgendermaßen aus.
Zusätzlich informiert JD.com den Kunden über Meilensteine (wie z.B. die Übergabe an den Kurierdienst) per SMS. Der Käufer ist somit immer bestens informiert und jeder Schritt ist transparent nachzuvollziehen. Die detaillierten Schritte in der oben gezeigten Sendungsverfolgung geben mehr Informationen, als jede mir bekannte Webseite zur Sendungsverfolgung.
Sobald das Paket in der gewünschten Stadt bzw. dem nächstgelegenen Depot angekommen ist, bietet der Versand durch Jingdong das nächste Highlight: Der Fahrer kann über eine Karte per GPS getrackt werden. Kunden sehen zusätzlich Name, Bewertungen, Telefonnummer und weitere Informationen über den Fahrer.
Etwas verstörend aus Sicht von Datenschützern, aber das Thema sollte hier in China sowieso abgehakt werden. Dieses Prinzip wird auf fast alle Services, die Lieferungen enthalten, angewendet. Auch Bestellungen bei z.B. McDonalds können auf den Meter genau verfolgt werden.
Ebenfalls fahren Lieferanten in China nicht mit Lieferwagen, sondern mit elektronischen Motorrädern bzw. Rollern (siehe Bild) zu den Endkunden. Dies ist bei dem großen Verkehrsaufkommen und den unzähligen Depots ein Muss. Kaum eine Person in z.B. Shenzhen ist mehr als 1-2 Kilometer vom nächsten Warenlager entfernt.
Abholung ohne Kontakt zum Lieferboten
Wie so vieles in China, läuft auch die Abholung völlig automatisiert ab. Nur bei sperrigen Produkten oder jene, die einen gewissen Wert übersteigen und eine Unterschrift fordern, kommt der Kunde in Kontakt mit dem Lieferanten.
Fun Facts: In China wird auch Sonntags ausgeliefert. In einigen Fällen sogar bis Mitternacht.
In China gibt es keine Reihenhäuser sondern Wohnblöcke. Diese bestehen aus mehreren Gebäuden, die durch Tore (mit Sicherheitsleuten) für verirrte Passanten nicht zugänglich sind. Dies ermöglicht das Aufstellen von Paketboxen in unmittelbarer Nähe zu den Wohnhäusern um alle Anwohner gleichzeitig beliefern zu können.
Kein Klingeln, kein Small Talk an der Tür, sondern einfach eine Lieferung an eine solcher Boxen. Wird bedacht, dass mehrere 1000 Menschen in einem Gebäudekomplex wohnen können, ist dies die einzige Möglichkeit, um den Berg an Bestellungen stemmen zu können. Schließlich kann hier in China, um mal einen Extremfall zu nennen, schon ein einziger Apfel per Paket versendet werden.
Mittlerweile sind in meiner unmittelbarer Peripherie vier solcher Boxen von verschiedenen Anbietern im Einsatz.
Die Gebühr für die Lagerung übernimmt übrigens der Verkäufer. Für den Endkunden ist die Nutzung völlig kostenfrei. Leider besitzen einige weniger Lieferanten und Verkäufer keine Partnerschaft mit einer der Paketboxen. In diesen Fällen werden Pakete, wenn auch nicht immer gern gesehen, nach einem Anruf und Nachfrage, bei den Sicherheitsleuten am Eingang abgegeben.
Die Abholung ist ebenso einfach wie das Einlagern. Sobald der Lieferbote den Barcode gescannt hat und das Paket in ein freie Fach verstaut hat, bekommt der Kunde eine SMS mit einem Code, um das entsprechende Fach zu öffnen.
Alternativ kann die App des Paketbox-Betreibers genutzt werden. In einem solchen Fall muss lediglich ein QR-Code gescannt werden, um die eigene Identität bzw. Telefonnummer zu verifizieren. Einfacher geht es kaum, oder?
In einigen Fällen muss das Paket binnen 24/48 Stunden abgeholt werden. Ist dies nicht möglich, wird das Paket wieder mitgenommen und es muss ein erneuter Versandtermin ausgemacht werden. Dies kann telefonisch, per WeChat oder App geschehen. Es reicht lediglich die Paketnummer anzugeben und es wird ohne zu fragen oder erneute Kosten wieder in der Box platziert.
Nach der Bestellung & Bewertung
Da der Bestellprozess an die Telefonnummer des Bestellers gebunden ist, gibt es auch Nachteile. Wer auf Amazon oder eBay als Händler aktiv ist, der weiß, dass die meisten Kunden Bewertungsfaul sind. Dies ist in China nicht anders und so gibt es mindestens (untertrieben) eine Erinnerungsnachricht per SMS vom Verkäufer. In deutlich schlimmeren Fällen rufen diese einen sogar mehrfach an und bitten darum, doch endlich das Produkt zu bewerten.
Im Falle des Ledergürtels der Marke toucengp gab es glücklicherweise nur eine Erinnerungs SMS und keine Anrufe. Dennoch habe ich mir genau aus diesen Gründen abgewöhnt, Anrufe bei unbekannter Nummer anzunehmen.
Marktplätze wie JD und Taobao haben zwar ein Regelwerk, welches bestimmte Arten des Kontaktes untersagen, aber im Endeffekt werden diese als naive Empfehlung wahrgenommen. Es hält sich niemand an diese Regulierungen und versucht auf allen Wegen das eigene Produkt zu pushen.
Bewertet der Kunde allerdings ein Produkt auf JD.com, dann gibt es Bonuspunkte. Diese können gegen Produkte, Rabatte & Gutscheine und sogar gegen Datenvolumen für das Smartphone eingetauscht werden. So gibt es zumindest einen kleinen Anreiz, gute Produkte zu bewerten.
Fazit: Deutschland meilenweit voraus
Lieferzeit, Flexibilität und Ablauf der Bestellung sind in China so einfach wie in keinem anderen Land. Bestellungen sind in den meisten Fällen innerhalb von 24 Stunden am Ziel, der „Postbote“ kann durch die Paketboxen nicht verpasst werden und das Bezahlen ist binnen fünf Sekunden erledigt.
Das jemand, der sehr (sehr) große Probleme mit dem Lesen der Sprache dies problemlos bewältigen kann, spricht eigentlich nur für den Onlinehandel in China.
Deutschland und sein Händler sollten sich hier eine Scheibe abschneiden und Inspiration suchen. Amazon und Co. werden diese Probleme nur im Schneckentempo angehen.
Datenschutzrechtliche Bedenken und „aggressives“ Händlerverhalten sind allerdings zwei große Tabuthemen in Deutschland, die einen schnell Verkäufer-Account und Firma kosten können. Einen Abmahnwahn gibt es in China nicht. Allerdings werden andere Wege gefunden, um die Konkurrenz aus dem Weg zu räumen. Dieses ist vielleicht ein Thema für einen anderen Artikel.
Nach einem Monat in Deutschland habe ich China, gerade wegen fortschrittlichen Abläufen wie diesen, richtig vermisst.
Gibt es noch weitere Punkte, die euch interessieren? Welches Thema (z.B. Kundensupport) soll genauer beschrieben werden?
Hi, es mag ja sein, das wir China was den Service angeht „Meilenweit“ hinterherlaufen. Aber ich denke hier muss man auch ganz klar die Infrastruktur mit berücksichtigen. Ich glaube kaum das ein Reisfarmer auf dem Land mit einem ähnlichen Service rechnen kann und solange wir in Deutschland nicht in diese Wohnbunker ziehen wollen, wird es auch weiterhin problematisch die kunden so schnell zu beliefern. Zusätzlich kommt in Deutschland noch hinzu, das die Lieferanten um einiges teurer sind als die E-Bike Fahrer in China. Solange wir also alle in einer teuren Konsumgesellschaft leben wollen, müssen wir mit den Abstrichen leben, das wir teilweise über einen Tag auf unsere Pakete warten müssen 🙂 ich denke hier kann Deutschland oder auch Westeuropa nur aufholen wenn wir gnadenlos auf Automatisierung setzen und die Prozesse schlank und kosteneffizient gestalten. Ansonsten ein toller Bericht. Schön zu lesen wie das in China gehandelt wird.
Danke dir und ich stimme absolut zu! Deutschland sollte nicht von Niedriglohn-Arbeitern profitieren sondern die Prozesse optimieren und automatisieren. So werden dann vielleicht Arbeitsplätze an der einen Stelle abgebaut, die dann aber auf der anderen Seite Innovation, Kreativität und andere spannende Nischen erschaffen. In kleineren Städten sind die Verhältnisse, wie du richtig erwähnt hast, natürlich etwas anders. Dennoch steht das Grundgerüst, um auch in diesen Gegenden zu skalieren.
Wohnbunker verbitte ich mir allerdings 😀
Sehe ich ähnlich, dass wir da nicht überall aufholen müssen. Gängige Lieferzeiten von einem Tag, außer in Hochphasen, bekommt man in den meisten deutschen Regionen hin. Vor allem gibt es ja einige der genannten Dinge hier auch.
DHL Packstation: Funktioniert ähnlich mit dem Einlagern und der Benachrichtigung. Größtes Problem ist allerdings, dass dort Betrug geschehen kann, weil die Packstation nicht das Gewicht des eingelegten Pakets erkennt und man somit auch theoretisch einfach die Klappe ohne Paket wieder schließen kann.
DPD: Tracking mit GPS-Verfolgung des Fahrers. Ist zwar ganz nett, aber mir würde auch die Information reichen, wie viele Stationen er noch vor mir hat.
Packetkästen am Haus: Kann man zwar machen, aber man benötigt für jeden Lieferdienst, der sowas anbietet, eine eigene Box. Sieht also ziemlich doof aus, wenn man am Haus dann einen Briefkasten plus mehrere Packetkästen hat.
Amazon Logistics: Schnelle Lieferung und funktioniert ohne Unterschrift, aber es häufen sich Beschwerden, dass Pakete irgendwo abgelegt werden oer verloren gehen.
In Deutschland sichern sich viele Händler und Logistker scheinbar stärker gegen Betrug ab und setzen dann coh eher auf traditonelle Methoden. Ist das in China kein Thema?
Der Vorteil hier ist, dass in allen Stationen bekannt ist, wer, was, wann und wo macht. So fällt die Schuld immer auf den gerade ausliefernden zurück. Das geht so weit, dass der Lieferant direkt bewertet werden kann und sich diese Bewertung in seinem Gehalt wiederspiegelt… Dennoch kommen auch hier „verschollene“ Pakete vor. Persönlich ist dies in meinem Bekanntenkreis noch nicht aufgekommen. Das dürfte auch kulturelle Hintergründe haben. Ein Bekannter betitelt China gerne als „Not my fucking job land“, weil wirklich nur das getan wird, was gemacht werden muss.