Eiserner Tech-Vorhang? 90 Tage bis zum finalen Huawei Verbot in den USA

Update! Auch ARM, die die Basis für die Herstellung von Chips bieten, ziehen sich von Huawei zurück. Der Kirin 985, das momentane Topmodell, darf von HiSilicon weiter hergestellt werden. Zukünftige Chips müssen allerdings ohne die Technologie auskommen.

Vices rependere oder Gleiches mit Gleichem vergelten ist einer der Gründe, die dem kommenden Huawei Verbot durch die USA zugrunde liegen. Der Kalte Krieg zwischen Tech-Giganten, welcher bisher nur von Chinas Regierung geführt wurde, findet nun in der USA seinen Kontrahenten.

Das amerikanische Department of Commerce spricht ein Exportverbot für 69 Firmen aus. Eine 90-Tages-Frist tritt in Kraft, um Unternehmen die Chance zu geben, die internen Prozesse zu optimieren und namenhafte Firmen wie Google, Qualcomm, Intel und der deutsche Chiphersteller Infineon bestätigten bereits, dass sie Verträge mit Huawei auflösen werden.

Die Liste der 69 Unternehmen nennt ausschließlich Huawei und die eigenen Subunternehmen wie HiSilicon oder jegliche Handels- und Investmentarme des Internet-Riesen aus China. Nicht nur alle chinesischen, sondern auch internationale Büros wie z.B. Huawei Deutschland sind betroffen.

Da ein direktes Verbot allen betroffenen nationalen Unternehmen schaden könnte, wird eine Frist bis zum 19. August gewährt, die Huawei und Partnern folgendes erlaubt:

Smartphone-Nutzer und Telekoms, die momentan auf Huawei setzen, haben somit 90 Tage Zeit, um Lösungen zu entwickeln und umzusetzen. Sobald die Frist vorbei ist, fallen diese Privilegien allerdings weg und es ist weitesgehend untersagt Produkte oder Software an Huawei zu liefern.

Industriegrößen beenden bereits Verträge

Als Reaktion auf die Ankündigung der chinesischen Regierung trennten sich bereits mehrere Industriegrößen von Verträgen mit Huawei. Google wird keinen Premium Support mehr für Android anbieten, aber versicherte allen Besitzern von Huawei Smartphones auf Twitter, dass Updates durchgeführt werden, solange es möglich ist.

Das Verbot könnte bedeuten, dass viele Google Services des (Open Source) Betriebssystem, nicht mehr von Werk aus genutzt werden können und Googles neue Android-Version eventuell nie oder mit großer Verspätung erscheinen werden. Apps wie YouTube oder Google Maps müssen Nutzer anschließend sehr wahrscheinlich selbst besorgen.

Auch Chip-Hersteller Qualcomm, Intel und Broadcom, die vor allem in Server-Hardware und Notebooks eingesetzt werden, haben ihre Verträge bereits beendet. Auch Speicher von Micron oder Western Digital wird es für Huawei nicht mehr geben. Alternativen wären Huaweis eigene Hardware (HiSilicon) oder Samsungs und Sonys Produkte.

Microsoft selbst hat sich noch nicht zum Thema geäußert und so bleibt offen, wie Windows Updatepolitik für Notebooks und Server aussehen wird. Neue Software-Lizenzen wird es wahrscheinlich in Zukunft nicht geben.

Das deutsche Unternehmen Infineon, obwohl durch einen Nikkei-Bericht bestätigt, weist Behauptungen, dass diese Huawei nicht mehr beliefern ab. Allerdings werden Teile der Chips aus den USA importiert und könnten somit auch unter das Verbot fallen.

Huawei ist nach wie vor Marktführer für 5G-Technologie und in Nordamerika gibt es keinen direkten Konkurrenten zur Hardware des Unternehmens aus China. Die europäischen Unternehmen Ericsson und Nokia sind die einzigen Konkurrenten auf diesem Gebiet.

In den nächsten Tagen und Wochen werden viele weitere Unternehmen folgen und die Ausmaße des Verbotes deutlicher werden. Ob nun die Bestellungen für diese Produkte in Nachbarländern steigen werden?

Wie reagieren Huawei und China?

Huaweis CEO (und Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas) Ren Zhengfei gibt sich zuversichtlich gegenüber der chinesischen Presse. Laut eigenen Aussagen sei das Unternehmen „bestens vorbereitet“ und „hat mit einem Verbot gerechnet“. Seit längerer Zeit soll Huawei bereits notwendige Hardware in großen Mengen lagern, um die Produktion in naher Zukunft nicht einstellen zu müssen.

[bs-quote quote=“Für das Ziel an der Spitze der Welt zu stehen, habe ich alles aufgeopfert. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein Konflikt mit den USA unausweichlich. (Frei übersetzt)“ style=“style-21″ align=“center“ color=“#0762a2″ author_name=“Ren Zhengfei“ author_job=“CEO Huawei“][/bs-quote]

Ebenfalls fügte dieser in einem Interview hinzu, dass Huawei mit über 700 Mathematiker, über 800 Physikern, über 120 Chemikern und über 60.000 Ingenieuren „problemlos eigene Chips und andere Innovationen entwickeln kann, die der ganzen Menschheit weiterhelfen werden“.

Auch die aufkommenden Software-Schwierigkeiten sollen anscheinend durch eine eigenes Betriebssystem, über das allerdings noch keine Details bekannt sind, gelöst werden können.

Statt Flüche gegen die USA und insbesondere Donald Trump, stehen chinesische Internetnutzer voll und ganz gegen das Vorzeigeunternehmen aus Shenzhen. Unter den Hashtags #加油中国 加油华为# (Jiāyóu zhōngguó jiāyóu huáwèi,  Auf geht’s China, auf geht’s Huawei) und #任正非响应热热# (Rènzhèngfēi xiǎngyìng rè rè, Ren Zhengfei reagiert auf heiße Situation) finden sich Millionen Kommentare, die von großer Zuversicht gegenüber Huawei sprechen.

Für viele ist das Verbot der Amerikaner ein Grund für patriotische Gefühle und um Huawei Produkte zu kaufen und einige wenige wollen sich auch von ihrem iPhone verabschieden – Gleiches mit Gleichem. Weniger laute Stimmen sind schockiert und fragen sich, wie und ob China auf das Verbot reagieren kann.

Der Kalte-Technologie-Krieg hat endgültig begonnen

Das gegenseitige Blockieren der jeweils erfolgreichsten Konzerne der zwei wirtschaftlich stärksten Nationen der Welt macht es leicht, Metaphern des kalten Krieges rauszukramen.

Obwohl China bereits seit über 15 Jahren Webseiten und Unternehmen wie Google und Facebook blockiert, ist der unerwartete Schlag der US-Regierung eine ungewöhnliche Maßnahme.

Neben dem Diebstahl von geistigem Eigentum sind vor allem Chinas nationale Regulierungen ein Dorn im Auge für die USA. Obwohl China (und Huawei) regelmäßig behaupten, dass IP-Rechte ernst genommen werden und kein Transfer von Technologie stattfindet, hat selbst die Europäische Handelskammer zu China in einer Umfrage festgestellt, dass das Problem in den letzten zwei Jahren schlimmer geworden ist.

Für einen Markteintritt in China ist es bis heute üblich, ein sogenanntes „Joint Venture“ (JV) mit einem chinesischen Partner zu gründen. Die Anteile am gegründeten Unternehmen werden dann im Verhältnis von 49%/51% für den Partner aufgeteilt. Ein ungewollter Technologietransfer, als Gegenleistung für den Markteintritt, ist somit für die meisten ausländischen Unternehmen notwendig.

Auch aus politischer Sicht haben es ausländische Unternehmen nicht leicht. Das Erhalten von Lizenzen nicht immer einfach und auch bei der Einhaltung von Gesetzen, welche chinesische Firmen in fast allen Fällen brechen, wird den ausländischen Hybriden genau auf die Finger geschaut.

Das Thema selbst ist natürlich wesentlich komplexer als in diesen Absätzen dargestellt, aber soll deutlich machen, dass der Unterschied zwischen China und westlichen Märkten, radikal unterschiedlich ist.

In den kommenden Tagen und Wochen werden sich die Nachrichten zu dem Thema überschlagen. Eines ist allerdings klar: Amerika geht in die offensive und zeigt, dass die Hoffnungen eines offenen Chinas, endgültig vorbei sind.

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