Der Hersteller Smartisan (CN: 北京锤子数码科技有限公司, Beijing Hammer Digital Technology Co., Ltd.) ist selbst für viele eingefleischte China-Fans oft kein Begriff. Allerdings besitzt das Unternehmen mit dem Hammer-Logo, welches bereits 2012 gegründet vom Englischlehrer Luo Yonghao gegründet wurde, eine treue Fangemeinde in China.
Interessant ist, dass sich der Nischenhersteller ein eigenes Ökosystem aufgebaut hat, welches neben der eigenen Androidoberfläche Smartisan OS auch eigene Apps und gar eine Cloudlösung anbietet.
Natürlich kein Vergleich zum Vorbild Xiaomi, aber dennoch können jährlich hunderttausende Smartphones in China verkauft werden, sodass auch andere Elektronikprodukte oder Kleidung durch den eigenen Onlineshop (rund 6 Millionen Besucher pro Monat) vertrieben werden.
Wer oder was ist eigentlich Smartisan?
Bisher waren die Geräte von Smartisan besonders für Fans des hauseigenen OS bekannt. Über die Grenzen des Landes der Mitte wurde zwar über den Hersteller berichtet, aber eine definitive Kaufempfehlung oder Marketingkampagnen gab es nie.
Zu beginn sorgte das Unternehmen allerdings für großes Aufsehen. Ein Investition von 30 Millionen US-Dollar im Jahre 2014 sorgte für die großen Worte, dass Xiaomi und Apple in China angegriffen werden sollen. Ein Jahr später wurde allerdings schnell klar, dass das Unternehmen den Ambitionen nicht gerecht werden konnte. Nach den eher enttäuschenden Jahren 2015 und 2016 mit geringen Verkaufszahlen für die Geräte Smartisan T1, Smartisan U1, Smartisan T2 und Smartisan M1 & M1L kamen Gerüchte über eine eventuelle Schließung auf.
Auch der Kauf durch den Branchenprimus Xiaomi wurde Ende 2016 heiß diskutiert. Es soll sich allerdings nur um ein Gerücht gehandelt haben.
Mit dem Artisan M1 und Nuts 1 & Nuts 2 Pro konnten in 2017 wieder Erfolge gefeiert werden, da die Geräte positiv von chinesischen Medien rezensiert wurden. Das Nuts 1 Pro ist das erste Gerät, welches mehr als 1 Millionen Exemplare verkaufen konnte. Der Erfolg wurde durch eine erneute Finanzspritze von rund 150 Millionen US-Dollar durch die Regierung der Stadt Chengdu abgesichert. Vor allem die Preisspanne zwischen 1000 und 2000 CN¥ konnte viele Kunden in ärmeren Provinzen überzeugen.
Mit knapp 15 Millionen Fans auf Weibo, dem chinesischen Facebook von Alibaba und Sina, ist Luo Yonghao übrigens ein echter Celebrity. Seine Medienauftritte und Überzeugung in die eigene Marke machen Smartisan, obwohl weit abgeschlagen von Xiaomi, Vivo oder Oppo, sympathisch. Die Tatsache, dass ein Englischlehrer ein derartiges Unternehmen aufbauen kann, hat etwas vom bekannten american dream – allerdings in China.
Natürlich muss sich der CEO auch mit viel Kritik auseinandersetzen, denn die neuesten Produktreihen von Smartisan sind ein Luftfilter sowie eine smartes Türschloss-System. Nicht wirklich kreativ, aber die Margen sprechen für sich, wie Xiaomis Mijia Crowdfunding Plattform zeigt.
Rückkehr in die Spitzenklasse? Smartisan R1 mit 1TB Speicher & Workstation
Persönlich bin ich bis heute davon überzeugt, dass das Wettrüsten auf dem Smartphonemarkt eines Tages stoppen muss. Merkt der Kunde wirklich Unterschiede zwischen Snapdragon 835 und 845? Sind 8GB RAM und mehr wirklich nötig in einem Smartphone? Lohnt sich wirklich das jährliche Update oder der Aufpreis von mehreren hundert Euro, wenn der Anwendungszweck identisch bleibt?
Ich glaube nicht und deshalb bin ich froh, dass Smartisan mit dem R1 etwas Neues wagt. Das Smartphone besitzt die neueste Hardware (Snapdragon 845 & 8GB RAM), eine Dual-Kamera und das beliebte 18:9 Display mit minimalen Displayrändern. Die Variante mit 1TB wird umgerechnet rund 1200€ kosten und hat bereits 250.000 Vorbesteller auf Jingdong.
Allerdings scheint der Schritt zum gigantischen Speicher logisch, denn gleichzeitig bietet Smartisan auch eine Workstation an. Über ein Dock kann das Smartphone mit einem vollwertigem 4K Touch-Display, der TNT Workstation für rund 1300€, verbunden werden. Diese besitzt, neben einer Kamera für Face Unlock und Lautsprechern, keine integrierte Hardware. Lediglich verschiedene Sensoren und Anschlüsse wie HDMI und USB sind vorhanden.
Das Betriebssystem des Smartisan R1 wechselt direkt in den Desktopmodus, falls es mit dem Dock verbunden wird. Smartisan OS 6.0 ist perfekt für den Gebrauch mit der Workstation optimiert. Das System erinnert stark an MacOS, aber besitzt einige spannende Features, die selbst über Sprache gesteuert werden können:
Interessant wäre natürlich, wenn das Smartisan R1 mit gigantischem Speicher auch Partitionen für Windows 10 oder sogar Chrome OS anbieten würde. Eine Linux-Distribution wäre ebenfalls genial, um möglichst viele Arbeitsbereiche abzudecken und Softwarekompatibilität zu garantieren.
Leider sehe ich diese nötigen Features nicht in den ersten Generationen der Workstations. Der Mut und die Idee sind allerdings zu bewundern, denn, wie ich bereits zu Anfang angedeutet habe, Smartphones können mittlerweile für so viel mehr als Facebook und Clash of Clans genutzt werden. Oder sollten sie es sogar?
Ein so kleiner Hersteller, der nur in China agiert, wird zwar international keine großen Wellen schlagen, aber das Prinzip „Ein Gerät für Alles“ sollte von mehreren Unternehmen aufgegriffen werden, aber dann würde die schöne Marge auf Hardwarekomponenten flöten gehen, oder?