Was ist WeChat? Eigentlich eine einfache Frage, doch Erklärungen wie „das Whatsapp Chinas“ greifen dabei viel zu kurz. Denn Tencents App ist deutlich mehr als das. Nahezu jeder Laden, sei er noch so klein, akzeptiert in China beispielsweise Zahlungen per WeChat Pay.
Zusammen mit AliPay hat Tencent einen mobile Payment Markt erschaffen, dem der deutsche auch in 10 Jahren noch nachstehen wird. Doch erst in Kombination mit den Erweiterungen der App, Mini Programs genannt, wird daraus eine ganz neue Art des Einkaufens, welche das Online Shopping revolutionieren könnte.
Social Shopping: eine Gefahr für Amazon, JD und co?
Kernelement der Programme ist, dass die Nutzer WeChat gar nicht mehr verlassen müssen, um einzukaufen. Das birgt einige Vorteile, wo natürlich als erster der Komfortgewinn zu nennen ist. Chinesische Internetnutzer verbringen im Schnitt ein Drittel Ihrer Online-Zeit in WeChat, da ist es naheliegend auch in der App einzukaufen. Keine neuen Konten erstellen, keine Bezahlmöglichkeit einrichten und kein Angebote vergleichen und „über den Kauf nachdenken“ – einfach in wenigen Klicks einkaufen.
Das bietet für die Marken noch einen weiteren Vorteil, denn die Kunden können in WeChat deutlich leichter zu Impulskäufen verleitet werden, die besonders hohe Margen ermöglichen und Kunden überzeugen, die sonst gar nicht eingekauft hätten. Denn wer bei WeChat direkt einkauft, wird vorher kaum die Preise verglichen haben und sich für das beste Angebot entscheiden, wie beispielsweise bei Amazon, JD.com und den weiteren „klassischen“ E-Commerce Plattformen. Viel wahrscheinlicher ist es dagegen, dass beim chatten auf WeChat ein Produkt empfohlen wurde oder man bei einem Influencer ein Produkt gesehen hat, welches man in dem Moment auch unbedingt haben will. Ein paar Klicks, und möglichst wenige Gedanken, später hat man schon auf Kaufen geklickt.
Ein erfolgreiches Modell, wie die Statistiken von Tencent zu deren Verbreitung zeigen. Mit 18% aller Mini Programme sind E-Commerce Erweiterungen die größte Gruppe, noch vor Spielen oder Social-Media Funktionen. Über 400.000 Marken und Plattformen haben bereits für WeChat eine der kleinen Anwendungen entwickelt.
Damit sind internationale Luxus-Brands wie Dior oder Yves-Saint-Laurent vertreten, aber auch Plattformen wie Pinduoduo. Deren unglaublicher Erfolg mit Gruppenbestellungen und günstigsten Artikeln wurde erst möglich, dadurch dass WeChat Nutzer Ihre Bestellungen mit Freunden teilten und dann diese dann auch einkauften. Kostenlose Werbung und gigantische Umsätze springen dabei für Pinduoduo heraus, die Kunden freuen sich über einfache Bestellungen und günstige Preise.
Die meisten Unternehmen sehen die Mini Programme jedoch noch als Erweiterung Ihrer Verkaufsmöglichkeiten um Ihre Abhängigkeit von den großen Plattformen wie JD.com oder Tmall zu senken, nicht als Ersatz dafür. Trotzdem ist das Shopping auf WeChat ein Vorbild für westliche Social-Media Plattformen geworden, die Ihre Nutzer damit an sich binden und die Relevanz der Plattformen erhöhen wollen – allen voran Instagram.
Checkout on Instagram: China-Klon mal andersherum
Einkaufen auf Facebook und Instagram – beides ist schon seit Jahren in der Theorie möglich, aber schlecht umgesetzt. Denn bei jedem Kauf war der Besuch des Online Shops nötig, welcher das Bestellen für potenzielle Kunden unnötig kompliziert machte.
Mit der neuen, „Checkout on Instagram“ genannten, Funktion hat das bald vermutlich ein Ende, denn damit kopiert man das Shopping Erlebnis eins zu eins vom chinesischen Vorbild. Aktuell zwar erst bei einigen wenigen Marken in den USA, doch es sollte nur eine Frage der Zeit sein, bis auch die deutsche Community in den Genuss des Features kommen wird.
Zwar wird es die Influencer vor einen Balanceakt zwischen Authentizität und Verkäufen stellen, wenn dieser jedoch gemeistert wird, dürfte die Funktion dem Influencer Marketing noch eine ganz andere Dimension verleihen. Shopping ohne Online Shops – was paradox klingt wird schon bald Realität werden – und Plattformen wie Amazon ganz und gar nicht gefallen.