Xiaomis Werbeskandal: P2P-Kreditportale stehlen Nutzern bis zu 5 Mio.€

xiaomi haupotquartier zentrale in beijing

Nach einem wirklich erfolgreichen Börsengang ist Xiaomi, welches sich nun selbst als Internetunternehmen bezeichnet, in die explosive Plattform Miene (CN: 爆雷, Bàoléi) getreten.

Über 3.000 Anbieter von P2P-Krediten und Finanzangeboten schalteten Werbung über Xiaomi Apps wie Mi VIP oder Mi Sport. Allerdings seien einige dieser Unternehmen bereits für betrügerisches Handeln aufgefallen und so wurden seit Mitte Juni über 435 Beschwerden gegen Xiaomi eingereicht.

Insgesamt ist von 40 Millionen CN¥ (5,02 Mio. Euro) die Rede, die von Xiaomi Nutzern an fragwürdigen bzw. betrügerischen Anbietern eingezahlt wurden. Die Dunkelziffer ist eventuell deutlich größer.

Fallender Aktienkurs und Xiaomis Reaktion

Vor nicht all zu langer Zeit hat Xiaomi bereits die verursachten Umweltprobleme eingeräumt und zur Besserung aufgerufen. Nur wenige Wochen hat der Jubel des IPO angehalten, bis das Unternehmen wieder im Kreuzfeuer der chinesischen Medien gelandet ist.

Der Vertrauensverlust an die Plattform spiegelte sich auch zum Teil im Börsenkurs wieder. Aus diesem Grund reagierte das Unternehmen schnell und verbannte vorläufig alle Anbieter von Finanzprodukten auf den eigenen Plattformen.

Das traurigste an der Geschichte ist, dass das Unternehmen aus Beijing selbst 15 derartiger Unternehmen exklusiv empfohlen hat. Durch die offizielle Verbindung mit Xiaomi und das Bewerben unter dem Titel Mi Exklusive (CN: 米粉专享,Mǐfěn zhuān xiǎng) wurde Vertrauen geschaffen. Insgesamt 11 dieser Anbieter reichten in den letzten Wochen eine Unternehmensauflösung ein bzw. sind in ihrem Fortbestehen gefährdet. Selbst die Polizei ermittelt gegen einige Verantwortliche.

Rund 9% des Umsatzes im ersten Quartal 2018 hat Xiaomi über das Bewerben der Finanzprodukte erwirtschaftet. Da das Businessmodell mit einer Marge von 5% bereits bei Anlegern in der Kritik ist, ein herber Rückschlag.

[bs-quote quote=“Zwischen den werbenden P2P-Kreditunternehmen und Xiaomi besteht keine strategische Kooperation.“ style=“style-11″ align=“center“ author_name=“Xiaomi Sprecher“][/bs-quote]

Wahrscheinlich handelt es sich bei der exklusiven Empfehlung nur um einen bezahlten Service, um mehr Geld von den Werbenden zu erhalten, aber ich bin mir sicher, dass der/die Verantwortliche bis heute bereits gefeuert ist. Die Idee ist durchaus normale Businesspraxis und kommt in China sehr häufig vor. Allerdings nur, wenn diese Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft werden würden, kann Sicherheit für alle Beteiligten garantiert werden. Bei der Masse an neuen Apps im chinesischen Raum bleibt dafür allerdings oft keine Zeit.

Es wird allerdings eine Verbesserung der Prozesse versprochen bevor derartige Werbung wieder in den Plattformen und Apps von Xiaomi auftaucht.

Auch andere Unternehmen sind schuldig

JD (CN: 京东, Jīngdōng), das mittlerweile erfolgreichste E-Commerce Unternehmen in China musste ebenfalls mit einem Skandal kämpfen. Es wurde ein Angebot freigeschaltet, dass Nutzern beim Kauf eines Router versprach, den Einkaufpreis von 399CN¥ (rund 50€) innerhalb eines Monats zu erstatten, wenn sich mit den persönlichen Daten für eine App registriert wird (Datenschutz ist kein Trend in China).

Diese App bombardierte dann die vermeintlichen Schnäppchenjägern mit Finanzangeboten und attraktiven Krediten – die perfekte Zielgruppe!

Ein seltener Anblick in China: Proteste vor der JD Zentrale in Beijing

Insgesamt rund 100.000 Bestellungen wurden getätigt und über 1 Millionen Nutzer registrierten sich in der App. Viele dieser nahmen die Kreditangebote der App wahr. Es kam also wie es kommen musste und Anfang 2018 wurde klar, dass das Unternehmen um rund 1 Millarden Euro verschuldet ist und ein großteil der Vermögen bereits durch Gerichte gepfändet wurde.

Logischerweise blieben die Investoren in die Finanzprodukte mit leeren Händen stehen und versammelten sich in Beijing um zu protestieren. Ein seltener Anblick in China, der meist binnen weniger Minuten von Polizisten zerschlagen wird, da öffentliche Versammlungen mit gewissen Intentionen illegal sind (Überraschung!).

Später stellte sich übrigens heraus, dass der Router lediglich 50CN¥ (rund 6,50€) wert war. Die chinesische Newswebseite ifeng.com analysierte das clevere Modell unzähliger Unternehmen des Anbieters und veröffentlichte sogar Telefonnummern der beteiligten. Wie es aussieht sei dieser Betrug sehr klug und lange geplant worden.

Wieso sind solche Vorfälle in China keine Überraschung?

Ich lehne mich mal weit aus dem Fenster und behaupte, dass viele chinesische Unternehmen ein paar Leichen im Keller haben. Mal wird es von der Politik geduldet (oft gegen ein Geldgeschenk bzw. roter Umschlag (CN: 红包, Hóngbāo), mal werden clevere Bürokratische Tricks genutzt oder es wird einfach weggeschaut bzw. keiner schaut hin, da sich auf ärmere und schlecht gebildete Regionen konzentriert wird. Manchmal treffen alle Punkte zu.

Es ist einfach wahnsinnig schwer eine so große Population, die sich signifikant in den verschiedenen Regionen unterscheidet, zu kontrollieren. Profit auf den Kosten Dritter ist, im großen Kontrast zu Deutschland, kulturell nur bedingt verschmäht.

Pinduoduo Gründer Colin Huang Zheng (ehemals Google): Gehyptes E-Commerce Start Up mit Produktpiraterie Anschuldigungen (Foto von: Qilai Shen/Bloomberg)

Mein Lieblingsbeispiel ist das E-Commerce-Wunderkind Pinduoduo (CN: 拼多多, Pīn duōduō). Das Unternehmen wird oft als ernstzunehmender Rivale für Branchengigant Alibaba betitelt. Durch eine clevere Onlinemarketing-Strategie, die durch teilen und Gruppeneinkäufe Rabatte von bis zu 90% verspricht, feiert das Unternehmen vor allem große Erfolge in ärmeren Regionen und Kleinstädten (in China als Tier 3 oder 4 betitelt). In diesen Regionen liegt der Mindestlohn oft unter 1800CN¥ (230€) und viele der dort lebenden Chinesen verdienen sogar weniger.

Jene empfinden Produkte, die auf Alibabas Plattformen oder JD verkauft werden, als viel zu teuer. Aus diesem Grund, da diese Nutzer deutlich sparsamer handeln, geht die Marketingstrategie des Unternehmens voll und ganz auf.

Allerdings lockt dieses System vor allem eine Sorte Händler und Hersteller an: Jene, die von den großen ausgeschlossen wurden und Produktpiraten.

Tendenz steigend: Verteilung der Nutzer von Pinduoduo und JD in den verschiedenen Regionen Chinas (Von reich zu arm, Tier 1 – Tier 4)

Ich erwähne das Unternehmen, weil heute ein Börsengang in den USA geplant ist und rund 1 Milliarde US-Dollar eingesammelt werden sollen. Allerdings wurden gleichzeitig Gerichtsverfahren von chinesischen Firmen in den USA eingeleitet, die Pinduoduo vorwerfen, dass Fälschungen ihrer Produkte auf der Plattform verkauft werden.

Es wurden zwar Maßnahmen gegen falsch handelnde Händler eingerichtet, aber diese stoßen auf großen Widerstand und Unverständnis im Heimatland.

Traurige Anekdote: Ein bekannter arbeitet für die Regierung und entwickelt Tunnel. Bei jedem Projekt wird ein kleiner Betrag beiseite gelegt, um Familien zu entschädigen. Im Durchschnitt – so seine Aussage – sterben 2 Arbeiter pro Projekt.

Diese sind meist Migranten aus den ärmsten Regionen, wohnen in Containern und verdienen weniger als 200€ im Monat.

Schneeballsysteme und Blockchains

Vieles in China findet unter der Hand statt und so sind die Initiierung und Beteiligung an illegalen Schneeballsystemen keine Seltenheit. Ob Make Up aus Korea oder Bitcoin-Investitionen, dank Messaging Apps wie WeChat und dem allgemeinen Misstrauen gegenüber chinesischen Marken und Verkäufern, gibt es wahrscheinlich tausende Unternehmen, die unter der Hand und fernab der Bürokratie ein Schneeballsystem betreiben.

Aus persönlicher Erfahrung habe ich bereits mehrere Leute kennengelernt, die in einem solchen System involviert sind und, durch die Rekrutierung anderer Mitglieder in dieses System, weitaus mehr als 10.000€ pro Monat verdienen. Das Ganze, ohne im Endeffekt selbst zu verkaufen. Frei nach dem Prinzip: Wo kein Kläger, da kein Richter.

Anfang des Jahres wurde ein Pyramidensystem mit 2,4 Milliarden USD entlarvt. Über 200.000 Investoren wurden in diesem um ihr Geld betrogen. Die Verantwortlichen sitzen nun lebenslänglich hinter Gittern und weiter Beteiligte wurden zu 19 Jahren in Gewahrsam verdonnert.

Der größte Fall in China wurde in 2016 aufgedeckt. Ezubao sammelte von 1 Millionen Chinesen fast 9 Milliarden US-Dollar ein.

Die Kryptowährung OneCoin sammelte 270 Millionen US-Dollar von Investoren in ihrem Ponzi-Scheme, bevor das Geld eingefroren wurde.

Sobald ein neuer Trend mit großen Versprechen entsteht sind gutgläubige Chinesen, die auch teil des wahnsinnig schnellen Aufschwung des Landes sein wollen, bereit zu investieren. Im Zeitalter der Blockchains ist OneCoin das beste Beispiel.

Ich könnte weitere Beispiele nennen, aber der Grundgedanke bleibt gleich. Das chinesische System, die Ungleichheit und Kultur sind perfekt, um zu schwindeln. Millionen Menschen sind abhängig von billigen Kopien und debattierbaren Systemen. Ohne wirkliche Innovation und bessere Bildungsstandards für mehrere hundert Millionen Chinesen ist es kaum möglich, diese Machenschaften zu unterbinden.

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