Vergessene China Shops: Dealextreme

Dealextreme (kurz: DX) war einmal einer der bekanntesten Shops für Importe aus China. Neben Banggood und Gearbest haben Sie schon in den frühen Jahren chinesische Technik in den Westen geschmuggelt, pardon geliefert. Doch heute kennt gefühlt niemand mehr den China Shop, der einst so bedeutend war.

Wie das passieren konnte, und wieso DX doch größer ist als gedacht, habe ich für euch aus den Tiefen des Internets ausgegraben.

ZU DEALEXTREME.COM

Großhandel, Sex Shop und Extreme Preise

Dealextreme wurde von einem der beiden Gründer von fifthunit.com, Kyle Chen, gegründet. Ich würde wetten, das absolut niemand jemals etwas von diesem Shop gehört hat, denn dieser existierte nur von 2005 bis 2007, und war noch dazu völlig bedeutungslos.

2006 jedenfalls gingen die beiden Geschäftspartner getrennte Wege, woraufhin Kyle und seine Frau Angel Dealextreme in Hong Kong starteten. Dank Ihrer Erfahrung im Programmieren von Websites und dem Betreiben eines Shops wurde aus Dealextreme schnell eine Erfolgsgeschichte.

Das DX Maskottchen war in der China Szene einst bekannt.

Nur ein Jahr nach der Gründung der Einzelhandelsplattform dealextreme.com wurde für Großhändler volumerate.com ins Leben gerufen, für beide Plattformen ging es steil bergauf. Anfangs etablierten sich die Shops mit kleinen Gadgets wie Taschenlampen und Feuerzeugen, später kamen China Phones, Klamotten und massig billige Ramsch-Artikel dazu.

Zu den Gründungszeiten mitte der nuller Jahre war es noch eine Seltenheit, und gerade deshalb einer der Gründe für den Erfolg von Dealextreme: die frühe Etablierung von PayPal und kostenlosem Versand. So konnten Kunden durch den Paypal Käuferschutz sicher Ihre Waren bestellen, und haben durch die nicht existenten Versandkosten dabei auch noch eine Menge Geld gespart.

Allgemein war der Name Programm, Dealextreme hat sich voll auf die günstigsten Preise fokussiert, und konnte damit stark wachsen. Dazu passt auch, dass man eine Tiefpreisgarantie eingeführt hat, ähnlich zu der, die man beispielsweise aus Möbelhäusern kennt. Sollte man das gleiche Produkt irgendwo im Internet günstiger finden, so senkte Dealextreme den Preis für den Kunden um die Differenz. Laut einigen Kundenberichten hat dies auch tatsächlich geklappt.

Nur 1 von 10 möglichen Sternen – der Kundenservice ist noch schlechter als bei Dealextreme. Quelle:resellerratings.com

Zum Aufbau einer Stammkundschaft hat Dealextreme ein Punktesystem eingeführt, welches treue Kunden belohnen und binden soll. Mit diesem kann tatsächlich noch einmal ein gutes Stück eingespart werden, da die Prämien deutlich höher sind als es bei der Konkurrenz der Fall ist. Dadurch wird nach jeder Bestellung der Kunde noch einmal „belohnt“ und kann beim nächsten Einkauf ein paar Dollar sparen.

2011 wurden drei neue Websites gelaunched, mit denen man sich diversifizieren wollte. Mit verschiedenen Websites für unterschiedliche Produktkategorien wollten die Unternehmer hinter DX für jeden Bedarf eine eigene Plattform etablieren. Doch der Plan ging nicht auf, und die Seiten allbuy.com und dxoutlet.com sind mittlerweile eingestellt worden. Anders sieht es mit dem Sex-Shop intimategadgets.com aus, denn dieser wurde ins Leben gerufen, um die „Erwachsenenartikel“ von Dealextreme zu verbannen. Damit sollte die Website von Dealextreme seriöser werden, ohne dass man dabei auf das lukrative Geschäft verzichten zu müssen. Auch wenn die Seit 2016 nicht mehr aktiv gepflegt wird und nicht mehr bei Dealextreme beworben wird, existiert Sie noch.

Probleme ohne Ende?

Ein weiterer Erfolgsfaktor hätte das Europäische Warenhaus, beziehungsweise die eigene Alternative zu Germany Express von Gearbest sein können. Früher gab es tatsächlich ein Warenhaus in Großbritannien, aus dem die Produkte dann an die Kunden in Europa geschickt wurden, was sowohl Zollkosten für die Kunden ersparte als auch die Versanddauer massiv senkte.

Leider wurde dieses eingestellt, und durch die Versandoption „DX EU Direct“ ersetzt. Diese Versandoption gab es ab einem Bestellwert von 30$ kostenlos, unter diesem Wert reicht der normale Versand jedoch auch, da bis zu diesem Wert meist keine Einfuhrumsatzsteuer gezahlt werden muss. Ich schreibe jedoch in der Vergangenheit, da auch die Versandoption leider ersatzlos gestrichen wurde. Sehr schade, da Dealextreme so bei allen Waren über 26€ Wert direkt unattraktiver, als beispielsweise Gearbest oder Banggood, wird.

Es hagelt Kritik: Trustpilot Bewertung von DX.com

Doch nicht nur dieser Wettbewerbsnachteil macht dem europäischen Geschäft von Dealextreme schon seit Jahren Probleme. Im Westen sind die potentiellen Kunden im allgemein einen deutlich besseren Kundenservice gewohnt als in anderen Teilen der Welt. China Shops mit Ihren minimalen Margen haben jedoch enorme Probleme, sich halbwegs akzeptabel um Ihre Kunden zu kümmern. Jedoch kalkuliert DX noch knapper, um die Konkurrenz preislich auszustechen, und die Konsequenz davon spürt man in einem grauenvollen Kundenservice.

Pakete werden nicht verschickt, Bestellungen storniert, Waren bleiben doch beim Zoll hängen und eine Rückerstattung ist so gut wie nie möglich. Das Internet ist voller Beschwerden von verärgerten Kunden, die von schier unendlichen Problemen mit dem Service von DX  berichten. Hier muss ich jedoch erwähnen, dass ich durch meine eigenen Erfahrungen leider nicht objektiv bin. Denn 2014 hatte ich bei Dealextreme einige meiner ersten Bestellungen aus China überhaupt aufgegeben, von 4 Bestellungen wurden 2 jedoch grundlos storniert, eine ist beim Zoll hängen geblieben und wurde zurück an DX geschickt (ohne dass ich das Geld je wieder gesehen hätte) und nur eine einzige kam tatsächlich nach einigen Wochen an.

„China-Schrott“ und ein veraltetes Design sorgen nicht gerade für viele Kunden

Doch hier hört es noch lange nicht auf mit den Gründen für das Verschwinden vom deutschen, beziehungsweise europäischen Markts. Denn der Hauptgrund für eine Bestellung bei Dealextreme war immer der Preis, der bei manchen Gadgets unschlagbar war und ist. Doch die westlichen Kunden haben sich verändert. Aus China wird mittlerweile viel High-End Technik wie Tablets und Smartphones bestellt, bei denen DX Preislich mit Riesen wie Gearbest nicht mithalten kann. Doch auch bei den Gadgets, der Spezialität des Shops, hat sich einiges getan.

 

Denn hier findet gerade eine Entwicklung statt, die Dealextreme vor weitere Probleme stellt. Markenprodukte aus China, gerade alles das angeblich von Xiaomi kommt, wird immer populärer und verkauft sich millionenfach. Damit einher geht ein gewisser Qualitätsanspruch, der sich in den letzten Jahren gebildet hat. Mit Ramsch Ware, No-name Produkten und billige Kopien von bekannten Firmen kann man in Europa kaum noch ein Geschäft machen. Doch genau das sind die Waren, auf die sich Dealextreme fokussiert. Noch dazu kommt Aliexpress, die Dealextreme auf diesem Markt heftigste Konkurrenz durch deutlich besseren Kundenservice, moderne Websites und Apps sowie teils günstigere Preise machen.

All diese Gründe kombiniert sorgen dafür, dass DX von der Bildfläche in Europa nahezu komplett verschwunden ist. Die westlichen Märkte wurden nicht mehr fokussiert, und die Marktanteile schwanden so schnell wie sie gekommen sind. Ganz anders sieht es hingegen auf anderen Märkten aus.

Südamerika – Die Goldgrube für DX

Im Vergleich zum E-Fox Shop steht Dealextreme sehr gut da. Quelle: Similarweb.com

Trotz all dieser Probleme ist Dealextreme erfolgreich! Beim recherchieren hatte ich erwartet, dass DX ähnlich bedeutungslos wie der eFox-Shop oder Lightinthebox ist. Doch weit gefehlt! Ein Großteil der Website-Besucher kommt aus Brasilien und Dealextreme fokussiert sich mittlerweile deutlich mehr auf den Südamerikanischen Markt. Statt der Option auf den Steuerfreien Versand nach Europa bietet man diesen nun mit „Argentina Directo“ in Argentinien an. Auch gibt es regelmäßig Rabattaktionen, die sich speziell an den südamerikanischen Markt richten. Auch in Indien und den USA hat DX noch Relevanz, wenn auch keine so wichtige wie in Südamerika. Da Dealextreme nicht an die Börse gegangen ist, werden leider keine Finanzzahlen veröffentlicht, als Anhaltspunkt für Erfolg und Relevanz müssen daher die Zahlen zu Ihrer Website herhalten. Und diese sehen gar nicht übel aus.

Gekaufte Klicks durch Trojaner?

Steigende Nutzerzahlen von Dezember 2017 bis März 2018 – Ist dabei etwas faul? Quelle: Alexa.com

Auf der Grafik ist gut zu erkennen, dass Dealextreme innerhalb des letzten Jahres seine Zugriffszahlen sogar deutlich steigern konnte. Allerdings bekommt man bei den steigenden Zahlen einen faden Beigeschmack, wenn man sich genauer in die Zahlen einließt. So spuckt einem die Statistik, welche Seiten direkt vor dem Besuch von DX.com besucht wurden, einen Klicktrojaner aus. Die Seite reundcwkqvctq.com leitet Nutzer auf Scam Seiten, aber auch Shops wie eben DX.com weiter. Vergleichbar ist das mit dem bekannteren Safebrowsing.biz. Das ganze kann absolut legitim gewesen sein, möglicherweise war es aber auch das Nutzen einer Malware, um mehr Klicks auf die Website zu bekommen. Was davon nun stimmt, werden wir wohl leider nie Erfahren.

Unabhängig davon ist es DX gelungen, dass der Shop zwar in Europa irrelevant geworden ist, gleichzeitig aber noch zu den 3500 meistbesuchten Websites der Welt gehört. Wenn man weiterhin auf sehr günstige Produkte und weniger auf Qualität oder Service setzt, sehe ich auch noch eine Zukunft für den China Shop. Gerade in Schwellenländern und bei Bevölkerungsschichten mit sehr geringem Budget gibt es durchaus die Möglichkeit mit billigen Gadgets das Überleben von Dealextreme zu sichern. In diesem Fall wird die Marke „DX“ in Zukunft für Europäer weiterhin nur für einen vergessenen China Shop stehen.

Wenn Ihr noch Fragen zu DX, seiner Geschichte oder einzelnen Fakten habt, schreibt mir in die Kommentare!

Falls Ihr noch mehr Geschichten zu vergessenen China Shops lesen wollt, habt Ihr hier alle anderen Artikel aus dieser Serie: Tinydeal, MiniInTheBox und LightInTheBox und der eFox Shop.

Funfact: www.madeinchina.com ist eine Seite, die nur auf dx.com weiterleitet.
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