Die Berichte über den vergangenen 11.11 Singles Day in China, dem größten Shoppingfest der Welt, überschlugen sich in den letzten Tagen. Schließlich setze Alibaba 25.300.000.000$ in einem Tag ab und der Konkurrent JD 19.300.000.000$ in der Periode zwischen dem 01.11 und 11.11 – Wahnsinnige Zahlen!
Wo kommen diese gigantischen Summen her und wie läuft der Tag wirklich in China ab? Ein beachtlicher Teil dieser Umsätze bei Alibaba stammt nämlich nicht vom 11.11 sondern wurde bereits vorab gesichert.
Alibabas Zahlen sind allerdings „verschönert“. Ich zeige euch, welche cleveren Marketingtricks dafür benutzt wurden.
Preise am 11.11 in China
Ich selbst war erstaunt, dass viele Deals, die ich am Singles Day gesehen habe, nicht wirklich interessant sind. Ein schneller Blick auf das, komischerweise selten genutzte, Preisvergleichsportal xitie.com machte deutlich, dass die Rabatte teilweise weit unter 10% lagen.
Ein weiterer erschreckender Punkt ist, dass viele Preise vor dem 11.11 angehoben werden. Als Beispiel habe ich hier einen Monitor gewählt, welchen ich für mein neues Büro gekauft habe. Der Flash-Sale Preis betrug 799¥ (rund 100€) und liegt somit noch über dem Bestpreis aus dem letzten Jahr.
Diskussionen über diese Handhabung auf Social Media Plattformen wie weibo oder douban werden, gegen eine Gebühr an den Betreiber, zensiert und gelöscht. Einige andere Artikel zu diesem Thema (Link in chinesisch) bleiben glücklicherweise erhalten.
Dies macht deutlich, dass kleinere Businesses oder Webseiten wie Mydealz.de oder Dealdoktor.de, in China keine Chance gegen Giganten wie Alibaba haben und auf wundersame Weise verschwinden oder in Vergessenheit geraten.
Wie spart man am 11.11 richtig?
Wenn die Preise vor dem Singles Day erhöht werden, wie kommen all diese Megapreise, von denen überall gesprochen wird, zustande?
Hier haben sich die e-Commerce Giganten ein kompliziertes, aber effektives System für ihre chinesischen Konsumenten ausgedacht. In Deutschland oder allgemein der westlichen Welt, würde dies niemals funktionieren.
Die Planung für den 11.1startet für viele Kunden bereits mehr als 4 Wochen vor dem großen Event. Folgende Rabattmöglichkeiten gibt es auf Alibabas Plattform Tmall.com:
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[tab title=“Anzahlungen“]Es können Anzahlungen für Produkte gemacht werden ohne den letztendlichen Preis am 11.11 zu wissen.
Beispiel: Ich tätige eine Anzahlung von 300¥ für einen Computer, die einen Rabatt von 700¥ garantiert. Der momentane Preis beträgt 5.000¥ und der Preis am 11.11 landet bei 4.799¥.
Kaufe ich diesen Computer mit meinem Anzahlungsrabatt, ist mein Endpreis 4099¥ und ich „spare“ somit 400¥.
Die Anzahlung kann nicht erstattet werden. Landet der Preis am 11.11 nur bei 4899¥, werden nur 300¥ gespart.[/tab]
[tab title=“Coupons“]Es können Coupons, die bestimmte Rabatte garantieren, gekauft werden. Teilweise ergeben sich hier komplexe Kombinationen.
Beispiel 1: Bezahle 100¥ um bei einer Bestellung bei einem gewissen Shop oder Marke über 1000¥ einen Rabatt von 250¥ zu erhalten. Flash-Sales ausgenommen.
Beispiel 2: Bezahle 55¥ um alle Produkte einer Marke oder Shops mit zusätzlich 10% Rabatt zu erhalten. Mindestbestellwert 555¥.
Beispiel 3: Zahle 9.9¥ um 100¥ Rabatt auf alle Küchengeräte (ausgeschlossen Elektronik und Messer) ab einem Bestellwert von 999¥ zu bekommen.
Die Kombinationen hier sind endlos und teilweise kurios bis unnötig komplex.
Bedenkt, dass die Preise zum 11.11 nicht bekannt sind und hier, vor allem wenn mehrere Coupons kombiniert werden sollen, komplexe Rechnungen getätigt werden. [/tab]
[tab title=“Einkaufswagen Limit“]Alibaba ist besonders clever und bietet vor dem 11.11 eine Erhöhung der Einkaufswagenkapazität an. Normalerweise können nicht mehr als 200 Produkte in den Warenkorb hinzugefügt werden.
Wird eine Gebühr bezahlt, kann dieses Limit ausgesetzt werden. So versuchen viele am schnellsten bei gewissen Deals zu sein und pünktlich um 0:00 Uhr den kaufen Button zu hämmern.[/tab]
[tab title=“Hong Bao (红包)“]Hong Bao bzw. rote Umschläge sind fest in der chinesischen Kultur verankert. Auf Hochzeiten, Neujahr oder zu anderen Festlichkeiten werden diese Umschläge, gefüllt mit Geld, verschenkt.
Bei Tmall konnten so, mit etwas Glück, neben Gutscheinen bis zu 1.111¥ (rund 143€) Guthaben gewonnen werden. Dieses musste dann am 11.11 ausgegeben werden.[/tab]
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Die Vorbereitungsphase nimmt für viele Einkäufer somit religiöse Züge an. Ein Mal im Jahr wird sich abgesprochen, ausgetauscht und Rabatte zusammen errechnet, sodass jeder die (vermeindlich) besten Preise bekommen kann.
Da das Kontingent an Anzahlungen und Coupons begrenzt ist, sind diese oft schnell ausverkauft. Spätere Wellen bieten deutlich geringere Rabatte an.
Anschließend muss nur noch auf den großen Tag gewartet werden. Die Anbieter und vor allem Alibaba wissen somit bereits, wie groß das initiale Verkaufsvolumen sein wird. Schließlich würde niemand, egal wie gut der Preis am Ende ist, einen bezahlten Coupon verfallen lassen, oder?
Wie mogelt Alibaba mit der Gesamtsumme?
Zugegeben, egal welche Summe Alibaba berechnen würde, das Ergebnis wäre beeindruckend. Allerdings sollte klar sein, dass, wie bereits erwähnt, wochenlang dafür gearbeitet und gesammelt wurde.
Die Gesamtsumme von rund 25.300.000.000$ enthält nämlich auch die oben genannten Anzahlungen und Couponkäufe und natürlich die Geldgeschenke, die Tmall an ihre Kunden verteilt hat. Hier handelt es sich vermutlich, da es keine offiziellen Zahlen gibt, um viele viele hundert Millionen chinesische Yuan, die bereits vorab umgesetzt wurden.
Ein genialer Marketingtrick, um das erwartete Ergebnis zu steuern und eventuell, falls nicht genügend Verkäufe angekündigt wurden, den Shops und Marken mit etwas Geld unter den Armen zu greifen. Komisch allerdings, dass keines der großen Medienhäuser dahintergekommen ist.
An diesem Tag zählt nämlich nur eines: Volumen! Die Gewinnmarge muss minimal bis nicht vorhanden sein. Das stört aber nicht, denn der Imageboost, glückliche Investoren und ein immer neuer Rekord machen Alibabas 11.11 zum wichtigsten Tag des Jahres für das Unternehmen.
Abwarten, ob JD.com eines Tages zum Titanen aus Hangzhou aufholen kann. Sie konnten ihr Ergebnis aus dem letzten Jahr um knapp über 50% verbessern. 6.000.000.000 US-Dollar trennen die beiden Monster. Ungefähr so viel, wie Black Friday bis Cyber Monday bei Amazon umsetzen.
Das nächste Jahr wird sicher noch gigantischer!
Guter Artikel!
Wieder etwas dazugelernt.
Danke. Gerne mehr Artikel dieser Art.
*daumenhoch*
Gern, danke für das fleißige Feedback von dir!
Hoffe, dass auch stille Mitleser begeistert sind 🙂
Klasse Beitrag, so langsam bekommen auch wir mit wie in Asien die Uhren gehen…;-)
Endlich kann ich auch Beiträge schreiben, ich hatte es mir schon gedacht das der Spamfilter zickt….
Gruß
Don Omerta
Es ist interessant, wie viel Mühe man sich mit Mogeleien macht. Ist es nicht unter dem Strich viel günstiger, korrekt zu arbeiten? Andererseits setzt eine in DE bekannte Elektronik-Verkaufskette bei ihren „keine Mehrwertsteuer“ Aktionen (-19%) die Preise vorher um 20% herauf…
https://seekingalpha.com/article/4126999-alibabas-numbers-raise-questions
Hier noch ein weiterer Artikel zum Thema alibaba
Danke. Das bestätigt mir, dass bei Ali* der Kunde uninteressant ist und nur als unbeliebtes Mittel zum Geldmachen dient. Amazon investiert deutlich mehr in die Kundenzufriedenheit.
Aber das geht ja den meisten Unternehmen so. Erst stellen sie ein gutes Produkt her, und dann nur noch *irgendwas* mit so viel Gewinn wie möglich. Nur treiben es die Chinesen mit dieser Methode ziemlich auf die Spitze.
Auch die Summen, die in R&D gesteckt werden, unterscheiden sich deutlich.. Bei Alibaba ist alles etwas.. nunja.. rationaler kalkuliert?