Tik Tok veröffentlichte letzte Woche den eigenen halbjährigen Transparenz-Report für den Zeitraum 01.07.2020 – 31.12.2020. Dies ist der zweite Report, den das Unternehmen seit der Eroberung der westlichen Social Media Welt veröffentlicht hat.
Die umstrittene Bytedance App ist seit kurzer Zeit in Indien gebannt und steht auch in der USA unter großer Kritik aufgrund der Pflicht, dass chinesische Unternehmen, wenn gefordert, Daten an die Regierung weitergeben müssen und (wahrscheinlich) keine Chance haben, sich dagegen zu wehren. Anderweitig könnte der chinesische Ableger Douyin (抖音) gefährdet sein.
Ob jemals von dieser Regulierung (auch als Artikel 9 bekannt) gebraucht gemacht wurde ist unklar und bleibt geheim.
Auch die algorithmische Diskriminierung von z.B. den Protesten in HK, Minderheiten oder der LGBTQ-Community sind problematisch angesichts der strengen Zensurregulierungen in China. Dies wird auch in den Zahlen deutlich.
Aus den 49 Millionen Videos, die von Tik Toks Plattform entfernt wurden, sind insgesamt 98,2% vor einer manuellen Intervention gelöscht worden. Von der Gesamtanzahl an gelöschten Videos besitzen 89,4% keine Views und haben es nicht durch die Filter des Algorithmus geschafft. Insgesamt sei dies weniger als 1% der hochgeladenen Videos.
Gelöschte Videos im Detail
Von Bytedance bzw. Tik Tok wurde lediglich die Top 5 der Länder veröffentlicht. Fast 50% der gelöschten Videos verstoßen gegen die Pornographie- und Richtlinien zum Schutz Minderjähriger. Etwa 21% der gelöschten Videos zeigen illegale Aktivitäten wie z.B. das konsumieren von Drogen oder zeigen von Länderspezifischen verbotenen Gegenständen und das Zeigen von generell illegalen Aktivitäten.
Weitere 15,6% Verstoßen gegen die Richtlinien der Selbstgefährdung. Dies ist auch der einzige Fall in dem weitere Details im Report offen gelegt werden, denn primär beziehen sich diese Löschungen auf „riskante [virale] Challenges“.
8,6% der gelöschten Videos zeigen Gewalt und grafische Bilder und 3% machen Verstöße gegen Belästigungs- und Cybermobbing-Richtlinien aus. Weniger als 1% fallen unter Hassrede, gefährliche Organisationen und Personen.
Rechtliche Anfragen nach Nutzerinformationen
Insgesamt 22 rechtliche Anfragen, um weitere Nutzerinformationen von Tik Tok zu erhalten, wurden in der zweiten Jahreshälfte gestellt. Diese werden nur gestattet, wenn diese rechtlich belegt wurden wie z.B. durch einen Durchsuchungsbefehl oder eine Vorladung. Hier fällt auf, dass angeforderte Log-Dateien ohne Content weitergegeben werden sofern kein richterlicher Beschluss vorliegt.
„Emergency Requests“ bzw. Notfallanfragen müssen ebenfalls durch einen Rechtsvertreter gestellt werden und sollen vor allem dabei helfen, dass umgehende Verletzungen oder Tod verhindert werden können. Es muss ein Formular mit der Anfrage ausgefüllt werden.
Deutschland macht hier über 50% der Anfragen aus, aber es wurden lediglich 13% der Anfragen als gültig erklärt und Informationen durch Tik Tok weitergegeben.
Anfragen durch Regierungen
Auch die Regierungs- bzw. Behördenanfragen bleiben überschaubar. Insgesamt 45 Anfragen wurden gestellt und als Resultat wurden insgesamt 121 Accounts gesperrt oder eingeschränkt und insgesamt 45 Uploads gelöscht oder die Sichtbarkeit reduziert. Indien sticht mit 66% der insgesamt gestellten Anfragen hervor.
Weitere Details der Art und Ziele der Anfragen werden nicht gegeben. Aufgrund des Tabellenaufbaus ist nicht klar, wie hoch die endgültige Quote ist und ob Regierungen im Vergleich zu Anfragen von Rechtsvertretern erfolgreicher ist.
Copyright Verstöße
Verblüffend für mich ist allerdings die Anzahl von nur 1338 Anfragen aufgrund von Copyright Verstößen. Wenn die Aussagen des Reports stimmen, dann wurden auf Tik Tok im 2. Halbjahr 2019 mindestens 490 Millionen Videos hochgeladen. Pro 1 Millionen Uploads werden demnach weniger 3 Anfragen gestellt und anschließend als rechtmäßig gestattet.
Die Kurzvideo-Plattform scheint durch ein internes System sehr gut ausgestattet zu sein und eventuell ist der Fokus von diversen dritten, die Geld mit Copyright-Takedowns verdienen, noch nicht gegeben.
Vergleich mit anderen Plattformen
Im Vergleich zu den Social Media Plattformen Facebook und Twitter ist die größte des Tik Toks Datensatzes (noch) redundant und ermöglicht so leider keinen direkten Vergleich.
Aber auch zwischen den beiden größten Netzwerken außerhalb Tik Toks ist die Spanne der Anfragen groß, wie die folgenden Diagramme zeigen:
Ebenfalls sind beide Plattformen, insbesondere das durch diverse Skandale geschädigte Facebook, in den geteilten Informationen deutlich transparenter. So wird auf reale Events hingewiesen und weitere Daten hinzugefügt.
Natürlich berücksichtigt dieser Vergleich nicht Größe, Geografie und Demografie des Publikum der Plattformen und die ausgegebene Summe in Marketingmaßnahmen und daraus resultierenden Maßnahmen gegenüber schlechter und schädlicher Werbung.
Der Trend ist allerdings eindeutig und es scheint als wäre die Plattform weitesgehend ignoriert worden und wird – insbesondere von der US-Regierung – als ganzes betrachtet.
Ob es taktisch klüger gewesen wäre, die Grenzen Bytedances bei der Kooperation mit der Regierung zu testen indem mehr Anfragen gestellt werden, bleibt diskussionswürdig.