Xiaomi baut aktuell ihre Vertriebsstrategie komplett um. Statt dem reinen Fokus auf den Onlineverkauf werden jetzt tausende Shops eröffnet. In diesen können Kunden die Smartphones und unzähligen Smartdevices der Partner ausprobieren und direkt mitnehmen. Doch wieso eröffnet das „Apple Chinas“ jetzt auch unzählige Läden, die sich auch noch am großen Vorbild orientieren?
Was hinter der teuren Expansion steckt und welche Probleme jetzt bekannt geworden sind, analysieren wir in diesem Artikel.
Mi Home Stores gegen Oppo und Vivo
Wer an Xiaomi denkt, hat vermutlich direkt die günstigen Preise im Kopf, die auch das beste Verkaufsargument des gehypten Unternehmens sind. Der Preiskampf mit der Konkurrenz konnte nur dadurch gewonnen werden, dass die Margen mit maximal 5% winzig sind und der reine Online Vertrieb jede Menge Geld spart.
Mit dieser Strategie konnte in den letzten Jahren zwar ein rasantes Wachstum erreicht werden, doch mittlerweile ist das Potenzial des reinen Online Vertriebs nahezu ausgereizt. Bei der preisbewussten, jungen Zielgruppe hat sich Xiaomi etabliert, doch bei dem Großteil der älteren und zahlungskräftigen potenziellen Kunden kann so nicht gepunktet werden. Das ändert sich jetzt jedoch, da Xiaomi seit 2017 in Mi Stores investiert, in denen das breite Sortiment vor dem Kauf ausprobiert werden kann.
Damit bekommt die Marke ein deutlich hochwertigeres Image, das bekannte „Mi“ soll für Qualität stehen und nicht mehr ausschließlich durch das Preis-Leistungs-Verhältnis überzeugen. Für die preissensiblen Kunden hat Xiaomi dafür die Subbrand Pocophone gegründet, deren Smartphones auf das neue Premiumfeeling verzichten, dafür aber preislich komplett neue Standards setzen. Wem dieses Vorgehen bekannt vorkommt, BBK fährt mit den Premiummarken Oppo und Vivo sowie dem reinen online-„Start Up“ Oneplus schon seit Jahren eine ähnliche Strategie.
Extremes Wachstum: 700 neue Shops in 2018
Einer Marke ein neues Image zu verpassen ist eine langwierige Aufgabe, die viele Jahre dauern kann und dabei jede Menge Geld verschluckt. So auch bei Xiaomi, die seit zwei Jahren massig Shops eröffnen. Während es 2017 „nur“ 200 waren, sollen 2018 700 neue eröffnen. Um diese Zahlen einmal in eine Relation zu setzen: Das sind fast 2 neue Läden pro Tag und damit wurden alleine dieses Jahr mehr Xiaomi Shops eröffnet, als Apple insgesamt weltweit betreibt.
Auch außerhalb von China gibt es die ersten Mi Stores, beispielsweise in Österreich. Dieser wird vom Partner Venkon Technix betrieben und ist in Sachen Präsentation und Design kaum von einem Apple Store zu unterscheiden. Der weltweit größte Flagship Store von Xiaomi steht dabei in Nanjing und wurde erst im Juni diesen Jahres eröffnet. Auf 700 Quadratmetern werden Smartphones, Staubsauger und jede Menge Smart Home Gadgets verkauft, der Shop ist damit ein Vorbild für die über 2000 Läden, die bis 2020 weltweit stehen sollen. Doch in genau diesem kam es jetzt zu einem Vorfall, der die Schattenseiten der extremen Expansion zeigt.
Schlechte Arbeitsbedingungen und kaum Geld?
Der offizielle Weibo Account (das chinesische Facebook Pendant) des Flagship Stores in Nanjing hat überraschend dieses Statement gepostet, welches auch kurz nach dem erscheinen wieder gelöscht wurde:
Übersetzt ist der Post eine Ankündigung, dass es ab jetzt keinen Nanjing Flagship Mi Store mehr gibt. Außerdem würden Sie (verlinkt sind unter anderem der CEO und der Präsident von Xiaomi) die Mitarbeiter ausnutzen und mit mageren Löhnen abspeisen. Der Post endet damit, dass Xiaomi nicht mehr die coolste Firma ist.
Für diese kuriose Meldung ist anscheinend ein Mitarbeiter verantwortlich, der den Weibo Account geführt hat. Xiaomi hat bereits reagiert in dem Sie den Post gelöscht haben und den Vorfall untersuchen. Selbstverständlich gibt es, trotz emotionsgeladener Meldung, den Laden weiterhin. Was vermutlich jedoch stimmt sind die Probleme im Management von Xiaomi, sowie die geringen Löhne für die Verkäufer in den Shops. Ist das ganze jetzt ein Skandal?
Was die niedrigen Löhne betrifft ist das ein generelles Problem in China. Mein Kollege Maxi hat die gesamte Struktur hinter dem chinesischen Lohnsystem einmal in einem eigenen Artikel aufgeschlüsselt, in dem auch erklärt wird, wie die niedrigen Löhne zustande kommen. Also liegt es nicht direkt an Xiaomi, eher an der chinesischen Gesellschaft und der Art was der einzelne Mitarbeiter für die Firmen wert ist (oder eben auch nicht). Gleichzeitig bedeutet dies allerdings nicht, dass die für uns niedrig erscheinenden Löhne nicht zum Leben ausreichen. Die Spanne zwischen den Lebensstandards ist riesig.
Bleiben noch die Vorwürfe darüber, dass das Xiaomi Management die Mitarbeiter schlecht behandeln würde und es alles andere als rund läuft. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Xiaomi 2000 Läden in nur drei Jahren eröffnen will und solch ein gigantisches Vorhaben kann nicht gänzlich ohne Probleme ablaufen. Leider ist der Mitarbeiter in seinem Post nicht konkreter auf die Missstände eingegangen, welche das Management betreffen und wir werden es wohl nie genau erfahren.
Jedoch ist es nicht der erste Vorfall dieser Art, so sollten beispielsweise bereits andere Abmachungen mit Subunternehmern nicht eingehalten worden sein. Einen Skandal ergeben die Vorfälle nicht, der Weibo Post gibt eher einen Einblick hinter die Kulissen und zeigt, dass wohl noch einiges nachgeholt werden muss. Das dürfte Xiaomi selbst auch bekannt sein, als Reaktion darauf haben Sie unter anderem angekündigt, vermehrt auf junge Manager zu setzen. Die Situation wird sich auch bessern müssen, wenn die Mi Stores in Zukunft auch gut laufen sollen.