Seit einigen Jahren ist der chinesische Hardware-Hersteller Lenovo, der ehemals zur chinesischen Regierung gehörte und für einige Skandale sorgte, Besitzer der Marke Motorola. Drei Milliarden US-Dollar bekam Google im Jahre 2014 von den Chinesen.
Immer wieder gerät die Marke Motorola seit der Übernahme im Kreuzfeuer für Produktpiraterie, doch mit dem P30 Pro scheint der Bogen endgültig überspannt zu sein.
Währenddessen schreibt allerdings Lenovo eines der besten Quartale seit langem. Was lief hier wirklich schief und ist dies der Anfang vom Ende Motorolas?
Dreiste Kopie, große Blamage: Motorola P30
Wenn selbst BBC, TheVerge und Marques Brownlee (MKBHD) das Smartphone als dreiste Kopie darstellen und gar verärgert sind, dann scheint bei Motorola so einiges schief zu laufen. Selten leistet sich eine so renommierte Marke Patzer dieser Größenordnung. Jedoch wird in all dem Ärger und Aufschreien der Mutterkonzern Lenovo oft vergessen.
Introducing Motorola P30 Pro: Our most shameless rip yet 😦https://t.co/mtnfEPb2ET pic.twitter.com/7f49CwZNTd
— Marques Brownlee (@MKBHD) 14. August 2018
Das kleinere Marken wie Cubot, UMIDIGI oder Elephone deutlich schneller kopierten, macht das Debakel nur noch deutlich trauriger. China ist zwar nicht bekannt für große Designinnovationen, aber gerade Vivo und Oppo zeigten in den vergangenen Monaten bereits, dass es auch anders gehen kann.
Was steckt drin? Motorola P30
Leider ist auch die Hardware des Abklatsches nicht bahnbrechend. Zwar gibt es 6GB RAM und bis zu 128GB Speicher, aber es wird nur ein mittelmäßiger Snapdragon 636 verbaut, der zwar für den Alltag reicht, aber eben doch eine Enttäuschung darstellt.
Bei dem 6,2″ Display im gewohnten Seitenverhältnis von 18,7:6 handelt es sich ebenfalls nur um ein IPS-Panel mit einer Auflösung von 2246 x 1080 Pixeln. Daneben reiht sich die Kamera mit 16 + 5 Megapixeln auf der Rückseite und 12 MP auf der Frontseite ein. Auch der 3.000mAh große Akku rettet den Gesamteindruck nicht.
Insgesamt Einheitsbrei der nicht den Titel Flaggschiff verdient hat, obwohl die Preise von rund 270€ bzw. 320€ recht vielversprechend erscheinen.
Durch China-Marken abgehängt?
Wie bereits erwähnt, haben andere, kleinere China-Marken Kopien der Branchenriesen gewagt, die Designelemente vom iPhone X und Huawei P20 ausgeliehen haben. Diese freuen sich gerade wahrscheinlich über den Fail Motorolas, denn weder das UMIDIGI Z2 Pro, noch das Cubot P20 sind so dreiste Kopien wie das Motorola P30.
So wie ich chinesische Marken kenne, werden sie vermutlich bald damit werben, dass sie schneller (und „besser“) kopiert haben als die Traditionsmarke, die nun durch chinesische Hände verpfuscht wird.
Nicht zuletzt sind die Hommagen aus China, um es mal etwas neutraler auszudrücken, teilweise weitaus günstiger bei ähnlicher Hardwareausstattung.
Der Einfluss Lenovos
Es sollte nicht unterschätzt werden, dass das chinesische Unternehmen Lenovo, als momentaner Besitzer der Telefonsparte von Motorola, hier seine Finger im Spiel hat. Nachdem der Relaunch der eigenen Chinahandys abermals missglückt ist und nur Durchschnitt abgeliefert wurde, trifft es nun nächsten großen Markennamen.
Einst bekannt für das interessante System aus modularen Rückseiten-Addons für erhöhte Akkulaufzeiten oder eine bessere Kamera, stellt das Motorola P30 die Kehrtwende dar. Zugegeben, die X-Serie wurde weniger erfolgreich aufgenommen als erhofft, aber dennoch stellte sie ein innovatives Konzept dar, dass einem so großen Unternehmen gerecht wurde.
Da Profite allerdings ausblieben und die Produktionskosten sehr hoch waren, war der Druck sehr hoch, ein profitables und massen-taugliches Handy auf den Markt zu bringen. Dies ist mit dem Motorola P30 allerdings missglückt und kostet der Marke wahrscheinlich deutlich mehr – Kunden vergessen nicht und die verlorene Reputation zurückzugewinnen ist teuer.
Dennoch: Quartalszahlen in Rekordhöhe
Vor ein paar Tagen veröffentlichte Lenovo die Zahlen für das zweite Quartal 2018 und diese können sich sehen lassen. Ein Umsatz von 11,9 Milliarden US-Dollar wurde erzielt und 113 Million konnten als Gewinn verbucht werden. Das sind rund 19% Wachstum im Vergleich zum letzten Jahr.
Der größte Umsatz wird mit Hardware, um genau zu sein Notebooks und Desktop Computer, gemacht. Mit einem Marktanteil von 21.9% auf dem PC-Markt ist Lenovo nun auch gleichauf mit HP. Dies mag vor allem daran liegen, dass die PC-Sparte von Fujitsu, die viele Firmen mit Hardware ausstatten, aufgekauft wurde.
Übrigens, laut chinesischen Quellen liegt die Gewinnmarge bei gerade mal 5%. Verwunderlich, wenn bedacht wird, dass einige Apple Notebooks weit über 20% erreichen.
Auch in der mobilen Sparte wurde ein Wachstum erzielt. Ganze 1,65 Milliarden US-Dollar wurden mit den Marken Lenovo und Motorola eingenommen. Dies entspricht einem Wachstum von 23% gegenüber des letzten Quartals.
Allerdings wird schnell klar, dass die Sparte noch nicht profitabel arbeitet, denn der Mutterkonzern hat es sich zum Ziel gemacht, die Gesamtkosten für die Marke Motorola (in 2014 rund 2 Milliarden US-Dollar) zu reduzieren, während erfolgreiche Regionen wie Südamerika weiter ausgebaut werden.
Ob dies die faule Entscheidung für die billige Kopie erklärt, bleibt natürlich offen. Chinesische Quellen, die das P30 für den chinesischen Markt einordnen, sehen diese Kritik allerdings gelassener als die westlichen Medien.
Lichtblicke: Motorola Z3 und e5 Plus
Motorola hat allerdings noch weitere Geräte vorgestellt, die an den Erfolgen bisheriger Serien anschließen und der Marke treu bleiben.
Das Motorola Z3 bildet das neue Flaggschiff und ist weiterhin mit modularer Rückseite verfügbar. Ebenfalls ist es das erste Smartphone mit einer möglichen 5G-Kompatibilität (mit entsprechendem Modem-Modul), obwohl es noch kein verfügbares Netz gibt. Der Preis von rund 500€ macht das Gerät allerdings weniger interessant für alle, die die Rückseitenmodule, die noch einen weiteren Aufpreis bedeuten, nicht gebrauchen können.
Das e5 Plus ist das neue Low-End-Smartphone und Nachfolger des e5. Die Hardware ist weiterhin recht schwachbrüstig und das Display löst nur mit einer HD-Auflösung auf, aber dafür bietet der 5.000mAh große Akku mehrere Tage Laufzeit. Hauptargument hier ist wohl der Preis von rund 160€ und die einfache Verfügbarkeit über Amazon und offline Retailer.
Insgesamt keine großen Überraschungen oder Innovationen, aber immerhin wird an die alten Serien angeknüpft und sich keine großen Patzer wie beim P30 geleistet.
Findet ihr die Kritik zu hart oder gehen euch die Notch-Kopien auch „auf den Sack“?