Unerwartet? Vor kurzem wurde bestätigt, dass der Industrie-Gigant Alibaba hinter der App steckt und diese für die Regierung angefertigt hat.
Da frage ich mich, wie der Konzern sonst mit der Kommunistischen Partei Chinas zusammenarbeitet? Ein seltsamer Schachzug angesichts der schwierigen Situation um Huawei.
Das ging schnell! Mit Fuck-XueXiQiangGuo (klicken, um mehr zu erfahren) gibt es nun auf Github ein Tool, welches automatisch Punkte sammelt und für den Nutzer „lernt“.
Messenger und News Apps gibt es wie Sand am Meer. Die beiden Felder zu kombinieren ist jedoch ungewöhnlich, doch das ist nicht der Grund wieso „Xuexi Qiangguo“ (学习强国) an die Charts der Appstores stürmen konnte. Denn die App ist höchstens mittelmäßig gut und nicht wirklich beliebt.
Auf Douban wird bereits fleißig diskutiert, denn in einem Monat konnten bereits 100 Millionen aktive Nutzer gesammelt werden. Die Durchschnittsbewertung von 2.7 Sternen der 300MB großen App (!!) sieht allerdings weniger rosig aus.
Lernen für China? Eher Überwachung und Propaganda
Übersetzt heißt die App in etwa „Lernen stärkt die Nation“, soll also durch die Nachrichten die Nutzer bilden und dadurch die Nation stärken. Was es damit auf sich hat, kommt später. Doch erst einmal zu der App an sich.
Die Chatfunktion ist dabei wenig spektakulär. Der Markt wird in China sowieso von WeChat und QQ dominiert. Durch den Plattformkapitalismus ist es schwer bis nahezu unmöglich einen Konkurrenten auf diesem Markt zu etablieren. Sehr ähnlich also zu Facebook im Westen, die mit Whatsapp, dem FB Messenger und den Instagram Nachrichten nahezu ein Messenger Monopol besitzen. Interessant ist dabei, dass die Entwicklung durch Alibaba`s Dingtalk unterstützt wird. Denn die Nutzer können sich mit Ihrem Dingtalk Account anmelden und die Chats synchronisieren.
Die News sind dagegen im Stil von ByteDances extrem erfolgreicher App Jinri Toutiao gehalten, jedoch ist die beste Funktion der App nicht übernommen worden. Denn statt auf die eine Anpassung der Nachrichten per AI an die Interessen des Nutzers werden nur Nachrichten von 18 staatlich kontrollierten Anbietern gezeigt. Also ist die App weder im Messenger Bereich, noch bei den News, innovativ und es gibt keinen offen erkenntlichen Grund für den Erfolg der App. Bis man herausfindet, wer die App entwickelt hat.
Platz 1 der Charts durch Installationszwang!
Die App ist nämlich durch betreiben des Ministeriums für öffentliche Angelegenheiten der Kommunistischen Partei entstanden. Dieses ist für die Kontrolle und Zensur der Informationen und Nachrichten in China verantwortlich. Wie Techchrunch herausgefunden hat, soll die Kommunistische Partei Ihren Mitgliedern „nahegelegt“ haben, die App herunterzuladen. Und da immerhin 90 Millionen Chinesen Mitglieder der Partei sind, erklärt dies den kometenhaften Aufstieg der App in den Top Charts bis auf Platz 1.
Doch seit dem dieser Platz erreicht wurde geht es wieder stetig bergab. Wie Kristin Shi-Kupfer des deutschen Think Tanks MERICS festgestellt hat, gibt es kaum ein authentisches Interesse an der App. Deshalb wird Sie vermutlich bald wieder aus den Downloadcharts herausfallen. Sobald der einmalige Effekt durch das Parteiendiktat abgeklungen ist, wird die App vermutlich kaum noch neue Nutzer anziehen. Doch wieso macht sich die Kommunistische Partei überhaupt die Mühe eine App zu entwickeln und diese Ihren Parteimitgliedern aufzudrücken?
Überwachung und Propaganda mit Xuexi Qiangguo
Der erste Grund ist offensichtlich. Die Nachrichten drehen sich primär um die Kommunistische Partei und Ihren Anführer Xi Jinping, der mittlerweile eine Machtfülle wie damals Mao Zedong erreicht hat. Auch wenn alle Nachrichten-Apps einer strengen Zensur unterliegen und kritische Töne gegenüber der Regierung sehr ungern gesehen sind, mit einer eigenen App eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten der Propaganda. Wer immer nur positives über die Regierung liest, wird diese Meinung irgendwann vermutlich verinnerlichen. Und da die Regierung volle Kontrolle über die ausgespielten News der neuen App hat, ist es nur logisch, dass sie großes Interesse daran hat möglichst viele Chinesen zur App-Nutzung zu bringen.
Doch es gibt noch möglicherweise einen weiteren Grund. Denn die Xuexi Qiangguo bietet ein Kundenbindungsprogramm ähnlich zu dem von AliEpxress. Wenn sich die Nutzer täglich einloggen oder kleinere Aufgaben erfüllen bekommen Sie dafür Punkte. Dafür gibt es dann Gutscheine, neue Ränge und sonstige Auszeichnungen – klassische Gamification.
Laut einer Douban-Gruppe soll für viele Regierungsmitglieder, vor allem in unteren Rängen, das erreichen des Tageslimits an Punkten und Aufgaben zur Pflicht gemacht worden sein. Departments und Teams teilen die gemeinsam erreichte Punktzahl dann mit den Vorgesetzten.
Der Unterschied ist jedoch, dass es eine Klarnamenspflicht gibt. Damit können dann Vorgesetzte problemlos kontrollieren, welcher Ihrer Untergebenen die App installiert hat und wie regelmäßig er diese nutzt. Das ermöglicht natürlich einen Rückschluss darauf, wie Treu jemand der Parteilinie ist und sich an deren Vorgaben hält.
Auch wenn es nur Spekulation ist, für Beförderungen bei einer staatlichen Organisation wie den vielen Behörden, der Polizei oder den Lehrern wird es sicher nicht schaden, wenn die App regelmäßig genutzt wird. Das deckt sich auch mit den Berichten darüber, dass verschiedene Mitarbeiter bestätigten, dass jeder in Ihrer jeweiligen Organisation die neue App herunterladen musste und diese auch nach den Interessen der Nutzer fragt.
Damit ist Xuexi Qiangguo im besten Fall „nur“ Propaganda, im schlimmsten jedoch ein Instrument zur Überwachung und Kontrolle der Meinung von Parteimitgliedern und Mitarbeitern der Regierung.
Update: Mogeln statt lernen, Programmierer Trollen die App
Zum Glück können wir uns alle auf das Internet verlassen und so gibt es nun seit kurzer Zeit eine Software, die die staatliche Propaganda-App von Alibaba redundant macht. Mit dem passenden Namen „Fuck 学习强国“ gibt es nun eine Software, die das „Lernen“ völlig automatisiert.
Das Prinzip ist simpel, da die App ebenfalls relativ primitiv zusammengeschustert wurde – eine Epidemie in Chinas Tech-Sektor, die fast alle Firmen betrifft. Es muss sich einfach in die Software eingeloggt werden (QR-Code) und schon scrollt diese munter durch die Artikel und klickt für den Nutzer auf zufällige Links, um auf simpelste Weise echtes Nutzerverhalten vorzutäuschen.
Die Software muss dafür nur im Hintergrund geöffnet bleiben bis das tägliche Ziel erreicht ist. Ebenfalls wurde herausgefunden, dass, obwohl es Pflicht ist sich mit seinem echten Namen zu registrieren, dies von niemanden überprüft wird – alles ist erlaubt!
Peinlich, dass es so einfach ist, die Funktionalität auszuhebeln. Ein großes Lob an den Programmierer, der eventuell, sofern er sich nicht richtig abgesichert hat, Hausbesuche und große Probleme erwarten kann.