Das Versandmethoden wie Germany Express oder deutsche Warenhäuser der chinesischen e-Commerce Unternehmen nicht ganz legal sind, ist natürlich nichts Neues mehr. Allerdings ist es immer interessant einige Fakten zu diesem Thema zu bekommen, um sich die Ausmaße klar machen zu können.
Genau diese Daten liefert vatfraud.org in England. Ich versuche hier die Daten zu analysieren und eventuell eine Brücke Richtung Deutschland zu bauen, denn dort könnte der Steuerausfall sogar noch deutlich größer sein. Das chinesische Verkäufer so einen Wettbewerbsvorteil bekommen, während Chinas Zölle exorbitant hoch sind, ist nicht wirklich fair.
Ein Blick in die Daten und mögliche Zukunftsprognosen, möchte ich hier mit euch diskutieren.
Methoden der Chinesen
Bevor wir uns in die Daten werfen, möchte ich hinzufügen, dass diese aus Großbritannien und 2016 stammen, sodass sie nicht mehr ganz aktuell sind. Die meisten angesprochenen Shops wurden bereits, weil das Vereinigte Königreich rechtliche Schritte gegen Verkäufer gestartet hat, geschlossen. Schauen wir uns mal genau an, wie die Chinesen handeln.
Durch Druck der EU wird dieses Katz-und-Maus-Spiel zwar immer größer, aber das Problem ist noch lange nicht gelöst. Es gibt zwar eine VAT-Pflicht für Händler auf Amazon.de, aber die Steuern muss am Ende der Chinese und nicht Amazon abführen. Sobald chinesische Firmen Gefahr wittern, schließen sie ihre Accounts und eröffnen neue Unternehmen und Verkäuferaccounts auf Amazon oder eBay. Dies immer dann, wenn Steuern fällig werden oder die erste Steuerabrechnung bevor steht. Oft kann so mehr als ein Jahr steuerfrei verkauft werden.
Weil der Hauptsitz der Unternehmen in China ist, gibt es auch keine Möglichkeit rechtlich gegen diese vorzugehen. Die EU ist somit in einer Patt-Situation, denn gegen China kann sie nur indirekt vorgehen, und europäische Unternehmen zu strikteren Regulationen zwingen, würde große Schäden in der internen Wirtschaft hervorrufen.
Selbst die EU hat Marketingmaterial auf YouTube entwickelt, welches diese Problematik zeigt:
In Großbritannien wurde bereits gehandelt, denn hier haftet (theoretisch) Amazon für Steuerausfälle durch Händler auf ihrer Plattform. Dass das in der Realität leider nicht ganz so gut funktioniert, zeigt vatfraud.org deutlich. In Deutschland gibt es diese Regelung noch nicht, sodass dieser Markt deutlich lukrativer für chinesische Anbieter ist.
Unterdeklarierung bei der Einfuhr
Theoretisch könnte jedes Unternehmen, dass Ordnungsgemäß in Deutschland eingetragen ist, die Einfuhrumsatzsteuer von 19% zurückholen.
Allerdings liegt auch dies nicht im Interesse der Chinesen, denn die Waren werden massiv unterdeklariert, um bei der Einfuhr zu sparen. So könnten sie sich nur einen Wert zurückholen, der deutlich unter dem zu versteuernden Warenwert liegt. Da ohnehin keine Mehrwertsteuer bezahlt wird, wird so deutlich mehr „gespart“ bzw. hinterzogen.
Dies geschieht sowohl im Business-to-Customer Bereich wie z.B. bei Bestellungen bei GearBest, aber auch bei Geschäften im Business-to-Business verhältnis.
Versandmethoden wie Germany Express sind hier allerdings eine Ausnahme, da diese anders funktionieren. Hier wird überhaupt keine Einfuhrumsatzsteuer bezahlt. Die Papiere werden so manipuliert, dass sie wie EU-Sendungen erscheinen.
Bekannte Namen bei Vatfraud.org
Die List bei Vatfraud.org ist lang, aber besonders spannend ist, dass auch zwei bekannte Unternehmen in der Liste auftauchen. Es handelt sich um Globalegrow, dem Mutterkonzern von GearBest, und TomTop. In letztere hat Globalegrow in diesem Jahr eine ordentliche Summe Geld investiert.
Hier die Übersicht aller eBay Accounts der Unternehmen, die in 2015 keine Steuern in Großbritannien bezahlt haben:
Insgesamt wurden somit rund 11.000.000£ erwirtschaftet. Davon hätten, bei einer VAT von 20% in Großbritannien, rund 2.500.000€ an Steuern bezahlt werden müssen. Die gesamte Liste auf vatfraud.org umfasst rund 300 Millionen Pfund Umsatz. Dabei handelt es sich auch nur um einen Bruchteil des Gesamtbetrages, der von Händlern weltweit – primär allerdings aus China – nicht versteuert wurde.
Zur jetzigen Zeit, da der Internethandel dank Plattformen wie Amazon und eBay boomt, dürften diese Summen deutlich größer sein. Bisher reagiert die EU allerdings nur sehr langsam und auch nationale Zollbehörden sind maßlos, aufgrund der Masse an Paketen, überfordert.
Am meisten leiden deutsche Händler darunter, denn diese sind natürlich verpflichtet die nationalen Regeln zu befolgen. Dennoch sind mittlerweile immer mehr Chinahändler mit einer Steuernummer registriert und können trotzdem günstige Preise anbieten.
Produktpiraterie auf Plattformen wie Amazon
Immer wieder beschweren sich Händler auf Wortfilter.de und anderen Webseiten, die speziell für deutsche Verkäufer gedacht sind, dass chinesische Händler ihre Produkte klauen und deutlich günstiger anbieten. Auch vor eigenen Marken wird hier nicht halt gemacht.
Leider muss dann der Verkäufer handeln und den Produktpiraten an Amazon oder eBay melden, um das Angebot löschen zu lassen. Dies ist oft mit großem Aufwand oder Kosten verbunden. In dieser Zeit verkauft der chinesische Händler allerdings munter die Kopie zum absoluten Bestpreis und scheffelt gewinne, die ihm nicht zustehen.
Selbiges geschieht mit Produkten, die gar nicht in die EU eingeführt werden dürfen. Viele, der auf Amazon verfügbaren Produkte, entsprechen nicht den Regulationen und werden trotzdem direkt von Amazon per FBA oder durch den Händler mit FBM versendet.
In Deutschland hätte solches Verhalten eine teure Abmahnung zur Folge. Chinesische Händler sind leider, dank der Politik in China, nahezu unantastbar. Das Problem kann somit nicht an der Wurzel angegangen werden und China selbst hat auch nur bedingtes Interesse dem zu Folgen, denn Millionen Arbeitsplätze wären betroffen.
Die einzige Option ist, seine Marke und Produkte auch in China zu schützen und dort über einen Agenten gegen die Chinesen vorzugehen. Erfolgschancen? Leider sehr gering!
Hängt sich ein chinesischer Händler erst einmal an das eigene Produkt an, wird es schwer ihn schnell abzuschütteln oder gar zu bestrafen. Der Marktplatz selbst löscht solche Nutzer nur bei mehrfachen Verstößen.
Natürliche Vorteile chinesischer Händler
Dennoch soll gesagt sein, dass nicht alle chinesischen Händler grundsätzlich bösartig sind. Vorgestellte Marken wie Insta360 bieten Innovative Produkte mit Mehrwert für den Kunden.
Auch bei Preisen haben diese, da sie direkt beim Produzenten sitzen und größere Volumen abnehmen können, große Vorteile. Bei generischen Produkten fällt dies besonders auf. Hier sollte sich niemand darüber beschweren, dass chinesische Händler „zu günstig sind“, sondern dies ist ein Vorteil für alle Kunden. Natürlich unter der Voraussetzung, dass alles fair abläuft.
Volumen ist besonders wichtig in China und so kann auf eine Gewinnmarge im zweistelligen Bereich oft verzichtet werden. Wer wissen möchte, was Produkte im wholesale in China kosten, der sollte sich mal Alibabas chinesische Webseite 1688.com anschauen. Rechnet ihr hier noch ein paar Prozente herunter, erhaltet ihr den Einkaufspreis eines chinesischen Herstellers.
Dank günstiger Versandoptionen kommen die genialen Preise vieler Chinaprodukte zustande, die dann auch Kunden in Deutschland genießen können. Wer könnte etwas dagegen haben, wenn alles fair abläuft?
Lösungsansätze des Problems
Natürlich will keine Firma Umsatzeinbußen in Kauf nehmen. So sind auch Regierungen sehr daran interessiert dieses Problem zu lösen oder, wie im Falle von China, die Situation beizubehalten. Nun gibt es verschiedene Lösungsansätze, die oft sehr kritisch diskutiert werden.
Ich möchte hier einfach mal die beliebtesten Optionen vorstellen und vielleicht kriegen wir eine offene Diskussion in den Kommentaren hin. Die Meinungen gehen bei solchen Themen gerne auseinander.
Beachtet bitte, dass diese Darstellungen nicht vollständig sind, sondern nur zur Diskussion anregen sollen!
1. VAT bzw. Umsatzsteuer abschaffen:
Keine Umsatzsteuer würde nationale Unternehmen entlasten, mehr Geld für Unternehmen bedeuten und somit die Preise reduzieren. Auch Arbeitnehmer würden mehr Geld in der Tasche haben, neue Jobs können geschaffen werden und das Produktionsvolumen erhöht sich.
Allerdings würde die größte Einnahme des Staatsetat wegfallen und das Geld könnte nicht für Bildung, Subventionen, Rente oder Arbeitslosenhilfe umverteilt werden können.
Gleichzeitig wäre es einfach für ausländische Unternehmen zu agieren und deutsche Unternehmen wären (zumindest im Preiskampf) konkurrenzfähiger. Sollte sich die Produktivität allerdings nicht erhöhen könnte dies negative oder stagnierende Auswirkungen auf den Arbeitnehmer haben. Die zusätzlichen Profite würden dann in Expansion des Unternehmens gesteckt.
2. Handel in Europa ausschließlich mit EU-Firmensitz
Wer in Europa bzw. Deutschland Handel betreiben möchte, der muss, ähnlich wie in China, einen Firmensitz im Inland besitzen. In Ausnahmefällen müssen/können sogar sogenannte „Joint Venture“ zusammen mit deutschen Unternehmen gegründet werden. Diese würden in den ersten Jahren nach der Gründung besonders geprüft werden. So würden Unternehmer dazu gezwungen werden, im Inland tätig zu werden, sich an Gesetze zu halten und für mehr Arbeitsopportunitäten zu sorgen.
Briefkastenfirmen dürften für diese Unternehmungen nicht erlaubt sein. Zusätzlich kann, in der EU erwirtschafteter Umsatz, nicht direkt auf ein Konto im Ausland verbucht werden. So wird garantiert, dass die Umsatzsteuer ordnungsgemäß abgeführt wird und anschließend zurückgeholt werden kann. Preise könnten sich erhöhen, aber ebenfalls muss die Produktqualität diesem Aufpreis langfristig gerecht werden, um erfolgreich das Unternehmen weiterführen zu können.
Kleine bzw. Mittelständische Unternehmen hätten es in diesem Fall schwerer in das System einzutreten und alle Lieferungen aus dem Ausland müssten strenger kontrolliert werden. Dies könnte über die zusätzlich generierten Umsätze durch Steuern finanziert werden.
3. Der Marktplatz zieht die Steuern für das Unternehmen ein
Amazon, eBay und andere Marktplätze, die Anbieter aus China akzeptieren, verlangen die Steuern von diesen Unternehmen direkt. Unternehmer aus dem Ausland können so nicht um diese Kosten herumkommen.
Dies würde eine große Systemänderung auf Seiten der Marktplätze bedeuten und der Staat übergibt die Verantwortung an den privaten Sektor. Bei Nichtbefolgung wäre dieser haftbar für seine Händler (ähnlich wie in UK). Dies würde allerdings gleichzeitig bedeuten, dass der Einfluss von Unternehmen wie Amazon deutlich wächst und eventuell kleinere Unternehmer, die dieser neuen Bürokratie nicht gewachsen sind, überschattet.
In China will die Regierung bereits durchsetzen, dass sie 1% der Gesamtanteile inklusive Teilhabe am Aufsichtsrat von großen, international tätigen, Unternehmen bekommt.
4. Eure Ideen?
So richtig überzeugen kann allerdings keine der Möglichkeiten. Überall sehe ich Schwachstellen. Gibt es noch weitere Ideen zu diesem Thema? Sind vielleicht einige Händler unter uns, die von dieser Thematik direkt betroffen sind und somit aus erster Hand berichten können?
Was muss getan werden, um wirtschaftlich ein faires Spielfeld für alle Beteiligten zu erschaffen? Ist China überhaupt daran interessiert? Diskutiert mit uns, Expertenwissen ist gefragt!
Die Idee, eine Gruppe von Kapitalgesellschaften zu gründen (Produktionsgesellschaft, Arbeitnehmerüberlassungsgesellschaft, Vertriebsgesellschaft usw. ) und nach dem ersten Jahr/Steuerbescheid die vermeintliche Haupt-Firma in die Insolvenz zu schicken schaffen nicht nur chinesische Firmen.
Da hast du recht! Ist ein weltweites Problem… nur wie löst man es am besten?