Oft hören wir von „Servicewüste Deutschland“, wenn es um Handel und Kundenkommunikation geht. Wer regelmäßig in China bestellt weiß allerdings, wie gut wir es mit nationalen Regulierungen und Plattformen wie Amazon oder Otto haben.
Dennoch müssten sich chinesische Händler an in Deutschland geltendes Recht, wie z.B. für Rücksendungen und Garantie, halten. In der Realität ist dies leider nicht der Fall und der Support bietet selten die Hilfe, die ein Kunde gewohnt ist.
Warum dies so ist und wie man sich am besten mit dem Kundenservice des China Shops verständigt, erkläre ich euch in diesem Artikel.
Schaut euch doch einfach mal an, wie verschiedene Shops ihre AGBs handhaben. Was fällt euch auf?
Gründe für schlechten Service im Chinashop
Die Sendungsverfolgung auf Techkou und der Thread zu den Problemen bei GearBest mit Germany Express zeigen, dass nicht jeder Kunde gleich behandelt wird. Oft ohne Grund oder böse Absicht des Mitarbeiters.
Um das Problem verstehen zu können, muss die Unternehmensstruktur, die die Wurzel allen Übels ist, genauer betrachtet werden. Andere Punkte runden dann das ‚perfekte Supporterlebnis‘ ab und sorgen so zusammen für den großen Frust, den viele Einkäufer auf diversen Portalen oder in sozialen Netzwerken bekannt geben.
Nicht kundenorientierte Unternehmensstruktur
Wie wichtig ist der Kundensupport dem Unternehmen hinter dem Shop? Wie groß ist das zugewiesene Budget? Diese und andere Fragen zeigen, wie nah die Firma am Kunden arbeitet und ob wirklich der „Kunde König ist“.
Hier muss darauf hingewiesen werden, und ich spreche aus eigener Erfahrung, dass Kundenservice sehr rational angegangen wird. „Wie sparen wir am meisten Geld?“ und „Wie maximieren wir unseren Gewinn“ sind hier die Hauptgegenstände.
Nicht selten wird darüber diskutiert, wie PayPal-Fälle verhindert werden können oder ab wann einem Kunden, egal ob das Produkt beschädigt oder verloren gegangen ist, eine Erstattung – meist nur prozentuell – gegeben wird.
Das Hauptproblem ist, dass es feste Regeln und Budgets gibt, die von (sehr ungeschulten) Kundenservicemitarbeitern umgesetzt werden müssen. Belohnungen gibt es für gelöste Fälle und gespartes Geld für das Unternehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass durch schlechte Schulung, nicht auf Probleme eingegangen wird, Produkte nicht verstanden werden oder Fragen gar nicht verstanden werden. Es ist, als würde jedes Ticket bei Null anfangen.
Dem wird auch leider nur bedingt entgegengewirkt, da diese Unternehmen nicht sehen, wie viel Geld durch guten Kundenservice gespart werden könnte. Es würde die Retention Rate erhöhen und Kunden würden wirklich positives Feedback hinterlassen.
Obwohl sich der Service in den letzten 2 Jahren verbessert hat, liegt dies nur daran, dass das Regelwerk überarbeitet wurde. Teilweise werden diese spontanen Änderungen aber schlecht zwischen den Departments kommuniziert.
Es gilt hier allerdings: Je geringer das Volumen eines Shops, desto besser der Kundenservice. Bei Marktplätzen wie Aliexpress gibt es immer zwei Instanzen, die für den Fall verantwortlich sind und somit ist der Support deutlich besser.
Minderwertige Produktqualität
Wie bereits in der Einführung zu GearBest angemerkt, gibt es große Probleme bei der Bewertung der Produkte. Negatives Feedback wird schlechthin ignoriert und zensiert. So ist dem Shop nie wirklich bewusst, welche Produkte entfernt werden müssen, da sie regelmäßig negatives Feedback erhalten.
Auch Banggood und alle anderen Shops sind hier keineswegs besser. Durchweg 4-5 Sterne Bewertungen auf alle Produkte sprechen nicht gerade für ein ausgeglichenes Verhältnis.
So entstehen im schlimmsten Fall unglückliche Kunden, die minderwertige Ware kaufen, da diese mit vielen sehr positiven Bewertungen locken. So werden nur mehr unnötige Tickets eröffnet, die gleichzeitig auch dem Ruf der Firma schaden.
Bei Marktplätzen wie Aliexpress, wo Händler selbst für ihren Umsatz verantwortlich sind, ist dies einfacher. Schließlich wollen sie, aufgrund von mehreren schlechten Bewertungen, keine höheren Gebühren zahlen oder gar ihren Account verlieren.
Schlechte Schulung und Standardantworten
Es ist völlig normal das im Kundenservice bestimmte Textbausteine regelmäßig wiederholt werden, um Nutzer zu authentifizieren oder das Beantworten von Tickets zu erleichtern. Schließlich, und das sollte jedem klar sein, hat jeder Mitarbeiter eine bestimmte Anzahl von Tickets pro Tag zu beantworten.
So kommt es schnell dazu, dass Tickets nicht wirklich gelesen werden und schnell mit einer Copy & Paste Antwort abgefertigt werden.
Ein weiteres Problem ist die Sprachbarriere. Mindestens eine Seite – hoffentlich die des Supports – sollte gute Englischkenntnisse besitzen, um Nachrichten zu entschlüsseln, Keywords zu filtern und anschließend das Problem anzugehen. Was soll allerdings erwartet, wenn jemand 900$ oder weitaus weniger verdient? Zu diesem Preis gibt es keinen perfekten Mitarbeiter mit all den Fähigkeiten, die benötigt werden.
„Viele Firmen aus Shenzhen haben ihren Kundenservice in weniger reichen Regionen in China, um Geld zu sparen. Darunter leidet die Qualität.“
Der geringen Investition in ‚Human Capital‚ wird versucht entgegen zu wirken, indem hunderte vorgefertigte Antworten und komplizierte Regulierungen erstellt werden. Stellt euch dies am besten wie eine Checkliste vor, die der Mitarbeiter, der oft Verständnisprobleme mit eurem Ticket hat, abhaken muss. Nur dann ist es möglich euch eine Erstattung zu geben. Fehlt ein Teil in der Liste gibt es eventuell nur Punkte oder eine Teilerstattung.
Da sich diese Checklisten je nach Laune des CEOs, ökonomischen Erfolg in der entsprechenden Periode oder in Ausnahmefällen (wie z.B. die Germany Express Probleme bei GearBest) stetig ändern, ist es nur selten möglich, das genaue System dahinter zu verstehen. Generell sind Unternehmen aber daran interessiert einen gewissen Prozentsatz von Kunden offensichtlich zu verärgern (wenn nicht sogar betrügen), um ihr eigenes Bestehen sicherzustellen. Selbiges gilt für jeden einzelnen Mitarbeiter der von Boni und andere Unternehmensabhängige Evaluierungen abhängig gemacht wird.
Kein Wunder, dass so einiges auf der Strecke bleibt. Schuld ist dabei niemals der Supportmitarbeiter, sondern das Unternehmen, welches diesen nicht wertschätzt, schult und so die Kundenerfahrung langfristig verbessert. Wieso werden diese nicht anständig geschult? Die Turnover-Rate, also die Anzahl an Mitarbeitern, die das Unternehmen verlassen, ist in diesem Bereich oft über 20%-30%. Woran das liegt, kann sich nun wohl jeder von euch zusammenreimen.
Paketverfolgung aus China
Über 50% Prozent der Tickets bei den meisten B2C-Chinashops wie Banggood oder GearBest betreffen die Sendungsverfolgung.
Leider bieten die meisten Shops, weil sie regelmäßig ihre Versandmethoden ändern – primär um Pakete illegal an den Zoll vorbeizubekommen – keine zuverlässig Plattform an, die das Tracking von Paketen ermöglicht.
Würde dieses Problem angegangen werden, dann könnte ein Großteil der Tickets vermieden werden. Genau aus diesem Grund habe ich versucht, die zuverlässigsten Sendungsverfolgungsplattformen auf Techkou.net für euch anzubieten. Leider gibt es keine 100% zuverlässige Methode für jeden Kunden.
Kein Rückversand möglich
Ein weiterer Punkt zu diesem Thema ist der Rückversand nach China. Da primär günstige Elektronik aus China eingekauft wird, kommen natürlich auch Fälle vor, wo diese zurückgeschickt werden soll und muss.
Leider ist dies, durch internationale Luftfrachtgesetze, nicht so einfach möglich.
Kaufe ich ein Smartphone in China, dann kommt es nicht selten vor, dass mir ein Rückversand nach China auf herkömmlichen Weg verweigert wird. Erst bei Versandkosten von bis zu 40€ ist ein problemloser Versand möglich und gestattet. Alle anderen Fälle sind Glück.
Nur wenige Shops oder Kundenservicemitarbeiter wissen darüber Bescheid. Oft werden veraltete Dokument verschickt, die sogar besagen, dass nicht mit DHL, Hermes oder UPS nach China verschickt werden soll – völlig ignorant gegenüber den Möglichkeiten, die in Deutschland verfügbar sind.
Nur GearBest besaß eine Klausel für Dead-On-Arrival („Defekt bei Ankunft“) Produkte in ihren AGBs und Rückgabe für diese erhöhten Versandkosten. Leider wurden diese mittlerweile wieder entfernt.
Sowieso war es fast unmöglich diese beim Kundensupport durchzusetzen, da oft davon nicht gewusst werden wollte oder die genehmigte Deadline „nicht eingehalten wurde“.
Veraltete Technik im Support
China setzt sehr gerne auf Open-Source Software und versucht diese zu verbessern. Leider scheitern die meisten Unternehmen daran und entwickeln Systeme horizontal, die dann den Mitarbeitern viel Zeit kosten und selten die richtigen Informationen bieten.
Selbst Multi-Milliarden-Dollar Unternehmen setzen auf 10 Jahre alte Software, statt Salesforce oder zumindest Zendesk zu nutzen. Eine anständige CRM-Software (Customer-Relationship-Management) würde viele Problemzonen modernisieren und vereinfachen. Wer setzt denn heute noch auf Windows XP (abgesehen von lahmen Regierungen)?
Die Kommunikation mit dem Support ist somit sogar auf technischer Ebene deutlich erschwert worden. Es könnte so viel einfacher, besser und professioneller sein, wenn das Support-Department mehr Beachtung und Liebe bekommen würde.
Schließlich ist guter Kundenservice einer der wichtigsten Teile des Marketings.
Amazon macht es vor und ist deshalb nicht umsonst die unangefochtene Nummer Eins in Deutschland. Übrigens, viele Chinamarken gibt es auch aus Deutschland bei Amazon.
Mangelnde Transparenz
Komischerweise, obwohl es sogar Pflicht in China ist und eine Lizenz von der Regierung gekauft werden muss, bietet kein chinesischer Shop vollständige Transparenz an. Es findet ein regelrechtes Katz-und-Maus-Spiel statt, dass für Unternehmen dieser Größe, eher peinlich ist.
Ein Impressum ist nicht vorhanden, der Versandverlauf ist undurchsichtig und selbst der Lagerbestand ist, obwohl das Produkt im Shop gekauft werden kann, oft gelogen.
So ist es doch offensichtlich, dass regelmäßig Fragen aufkommen und der Kunde sicher gehen will, dass sein Geld nicht verloren geht.
Wie funktioniert Kundenservice in China?
In China ist Kundenservice unglaublich wichtig. Kunden verschiedenster Plattformen sind sehr anspruchsvoll und immer vorsichtig, ob es sich um Originalware handelt oder ob es einen Haken bei guten Angeboten gibt.
Das unglaubliche ist, dass wirklich rund um die Uhr Fragen auf Marktplätzen wie Taobao, JD oder Tmall beantwortet werden. Allerdings gibt es auch hier schwarze Schafe. Zahlt der Kunde nicht für einen Premiumservice wie z.B. Expressversand durch JD (mein Favorit!), dann werden Umtausch, Probleme oder gar Teilerstattungen zum absoluten Wahnsinn. Insgesamt wirken diese ganzen Prozesse sehr amateurhaft.
Hier haben sich Shops wie GearBest und Banggood einiges abgeschaut und das ganze eine Nummer schlechter umgesetzt. Es wirkt sehr unerfahren und das ist gerade das erstaunliche, denn Unternehmen wie die Muttergesellschaft von GearBest sind mit 7 Milliarden US-Dollar auf dem Aktienmarkt bewertet.
Die einzigen Gewinner sind hier Marktplätze, denn schlechte Händler werden hier durch eine zweite Instanz abgemahnt und eventuell bestraft.
Eure Probleme mit China-Support?
Leider sitzen die China-Shops noch am längeren Hebel, da sie beliebte Marken wie Xiaomi als einzige Anbieter günstig nach Deutschland bringen können. So richtig auf die Probe gestellt wurden sie noch nicht.
Auf welche Probleme stoßen allerdings diejenigen unter euch, die regelmäßig bestellen? Was könnte verbessert werden und welche, der von mir genannten Punkte, sind für euch am wichtigsten?
Welcher Kundensupport hat euch am besten gefallen und was sind eure schlimmsten Erfahrungen mit der Bestellung aus China?
Bis jetzt habe ich immer Glück gehabt, ich schaue allerdings öfter auf Amazon, wenn es das Produkt auch dort gibt bestelle ich da. Bei Smartphone ist das die bessere Schiene bezüglich der Akku-Problematik.
Stimme ich zu, vor allem, wenn es zurück gehen soll. Leider gibt es bei Amazon keine wirkliche Auswahl für Xiaomi Geräte.
Interessant ist, daß der Lagerbestand gelogen ist.
Das erklärt zumindst meine Erfahrung, daß ich nach einem flash-sale bei gearbest einmal 5 Wochen auf den Versand (also daß es überhaupt angefangen hat bearbeitet zu werden) gewartet habe.
Ich hatte damals schon den Prozeß gestartet das Geld mit PayPal zurückzubekommen.
Ein anderer Fall war einmal bei Alibaba. Da waren bei einer Sendung über 300 Teile (Werbegeschenke) ca. 10% defekt. Alles was ich aushandeln konnte war eine Gutschrift für die nächste Bestellung. (dort habe ich aber bis heute nichts mehr bestellt) – …aber das war vor Jahren, als ich noch Erfahrungen sammelte.
PS: toller Blog! Danke für die vielen Hintergrundinformationen! Ich bekomme dadurch ein ganz anderen Eindruck für die Geschäftsabwicklung. Der Einblick schafft nicht nur Verständnis, sondern auch irgendwie ein Gefühl der Sicherheit, da man die erforderlichen Vorkehrungen kennt und berücksichtigen kann.
Freut mich und Riesen Dank für das tolle Feedback! Spread the word 😀
Das mit Alibaba kann ich mir gut vorstellen. Die 10% Ausfall verhandelt man vorher allerdings gerne.. in vielen Branchen ist es noch schlimmer…
Das Thema Out of Stock wurde entgegen gegangen mit „Versanddatum in X Tagen“, welches automatisch nach hinten verschoben wird, wenn ein Produkt nicht auf Lager ist. Mal drauf achten 😉
Sehr schöner Artikel. Eine Anmkerungen hätte ich auch:
Bist du dir bei dem Abschnitt zum Fernabsatzgesetz wirklich sicher? Ich dachte eigentlich, dass der Standort des Händlers zählt und nicht der des Kunden. Selbst bei einem Kauf beim deutschen Händler ist die Gerichtsbarkeit am Ort des Händlers und nicht am Ort des Kunden.
Meine Erfahrung mit dem Gearbest Kundenservice:
Bisher lief alles ziemlich gut. Wenn man denen einfache Sätze gibt, die leicht übersetzbar sind, funktioniert die Kommunikation eigentlich wirklich sauber. Die Konfliklösungen sind manchmal sehr unterschiedlich, aber dann habe ich teilweise einfach ein neues Ticket eröffnet, wenn ich nicht zufrieden war.
Wo ich eher mich fremd schäme, wenn ich sowas in diversen Foren lese:
Der Umgang der deutschen Kunden mit dem Support. Tickets werden teilweise auf Deutsch geschrieben oder erst mal mit Vorwürfen überzogen. Amazon erzieht deutsche Kunden zu quängeligen Kindern. Der Versand in Deutschland war schon immer ziemlich schnell und durch Prime sind inzwischen viele Kunden einfach nur noch verwöhnt. Die meisten der Tickets zum Versandtermin oder zum Tracking könnte man sich eigentlich sparen. Vor der Bestellung nachfragen, ob das Produkt auf Lager ist, hilft meistens schon. Und dass man nicht nach zwei Tagen Versandzeit ohne detailiertes Tracking nervös werden sollte, versteht sich eigentlich auch von selbst. Wer Geld nach China sendet, sollte eine gewisse Riskobereitschaft haben.
Fernabsatzgesetz hast du Recht, mein Fehler!
Zum Thema Kundenanspruch gebe ich dir recht… Bin in einigen Händlergruppen und was ich da manchmal lese ist unglaublich. Wenn genau diese Personen dann in China bestellen, dann sehe ich schwarz. Allerdings werden genau diese Kunden zum skalieren des Geschäftes benötigt. Es muss also dennoch eine Lösung, besseres Tracking, mehr Transparenz geschaffen werden.