Der chinesische B2C-Markt bricht auch über die Landesgrenzen heraus stetige Rekorde. GearBest verzeichnet im Schnitt ein (selbsterklärtes) Wachstum von weit über 100% pro Jahr. Besonders europäische Kunden sind oft nur über die Plattformen von Globalegrow erreichbar.
Leider sorgt dies auch dafür, dass viele Marken von GearBest abhängen, um Kunden zu erreichen. Sie wachsen und fallen mit dem Unternehmen. Konkurrierende E-Commerce Anbieter haben kaum eine Chance mitzuhalten.
Warum dem so ist und was dies für verheerende Auswirkungen haben kann, soll hier näher beleuchtet werden.
GearBest verkauft ohne Gewinn
Wie bereits in einem älteren Artikel angedeutet, sind die Preise von GearBest beeindruckenderweise identisch zu denen in China. Mit den illegalen und zollfreien Versandmethoden kommen so geniale Preise, besonders für Marken wie Xiaomi, für den Endkunden zustande.
Doch was bedeutet dies für kleinere Marken wie Chuwi, Oukitel und Anderen, die noch keine eigenen Verkaufschannel etablieren konnten?
Diese stehen in großer Abhängigkeit zum e-Commerce Giganten aus Shenzhen und zahlen große Summen, um dort gelistet und vermarktet zu werden – auf Kosten der eigenen Marge. Jegliche Versuche, um eigene Verkaufsplattformen zu etablieren werden durch das Marketingbudget des Shops, welches wahrscheinlich mehrere hundert Million Euro und viele Jahre Arbeit beinhaltet, überschattet.
Es muss demnach mit GearBest zusammengearbeitet werden, um die „reichen“ europäischen Kunden zu erreichen. Kurzfristig sorgt dies für geniale Preise für Chinaelektronik, aber kann dies langfristig gut gehen?
Alle Hersteller hoch verschuldet
In der letzten Woche hat der internationale Währungsfond (IWF) wiederholt davor gewarnt, dass die Unternehmensschulden in China zu hoch seien und dies langfristige schwerwiegende Konsequenzen für die nationale Wirtschaft des Giganten aus Fernost haben wird.
Der private Sektor ist mit über 250% des Bruttoinlandproduktes verschuldet. Dies ist im internationalen Vergleich zwar nicht ungewöhnlich, aber kein anderes Land hat so stark steigende Unternehmensschulden. Wird in Betracht gezogen, dass das Pro-Kopf-BIP knapp unter 10.000$ liegt, sieht die Situation noch deutlich düsterer aus. Im Vergleich: Deutschlands Unternehmen sind um rund 66% weniger verschuldet.
Dies kommt GearBest entgegen, sorgt aber gleichzeitig für großen Druck auf die Hersteller. Kaum einer der Smartphone, Tablet und Elektronikhersteller schreibt schwarze Zahlen.
Dies liegt vor allem am ewig leidigen Thema: Effizienz. Wird nun hinzugezogen, dass über 90% der „Chinamarken“, so wie wir sie kennen, in China gar nicht verkauft wird, wird schnell klar, dass auch andere Bereiche deutliche Defizite aufweisen.
Wie soll ein Unternehmen, dass sich im heimischen und gewohnten Markt nicht etablieren kann, sich international behaupten? Vor allem, wenn es offensichtlich an Expertise mangelt?
Demnach muss ein Partner wie GearBest her, der Marketing, Abverkauf und Logistik für einen übernimmt. Outsourcing ist keineswegs problematisch, wenn an eigenen Plattformen und Lösung gearbeitet wird. Hierzu fehlt allerdings meist Geld und Expertise.
Beispiel: SJCam in Spanien
Ein bekannter von mir in Shenzhen ist offizieller Partner für SJCam in Spanien (und international). Ich berichtete bereits, wie GearBest geltende Verträge mit SJCam untergraben hat.
Dieser berichtet regelmäßig, dass sich der Handel mit diesen Produkten nicht lohnt. Margen im sehr niedrigen zweistelligen Prozentbereich, kein Marketingbudget vom Hauptkonzern und sehr hohe Rückläuferquote machen das Business mit chinesischen Produkten fast unmöglich.
Wenn gleichzeitig Händler wie GearBest rund 30%+ bessere Preise anbieten können, dann ist es einfach nicht möglich, mit diesen ordentlich zu konkurrieren. Es wird kein direkter Mehrwert geboten und der Kunde bestellt logischerweise direkt bei GearBest.
Das für gute Produkte Preise angehoben werden könnten und auf die teure Partnerschaft mit chinesischen Händlern verzichtet werden könnte, ist den meisten Unternehmern zu riskant.
Sobald ein Hersteller ein Mal im Abhängigkeitsverhältnis steht, ist es schwer, dieses wieder zu brechen. Schließlich müssen Investoren und Anleger weiterhin überzeugt werden. Dies wird allerdings schwierig, wenn das Verkaufsvolumen auf Pump plötzlich verschwindet.
Einheitsbrei ohne Branding?
Fans von Chinaelektronik wissen es bereits: „Irgendetwas ist immer“. Kein Gerät ist wirklich perfekt und je länger man hinter den Kulissen mit den Marken und Produkten arbeitet, desto skeptischer und negativer wird das Bild von den einzelnen Unternehmen.
Ausnahmen sind Hersteller wie Xiaomi oder Oppo (übrigens die Besitzer von OnePlus), die bereits im Inland erfolgreich verkaufen und gewachsen sind. Ob das ein Zufall ist?
Leider wird es auch immer schwieriger die Marken voneinander zu unterscheiden. Nicht nur die pure Masse, aber auch die geringen Unterscheidungsmerkmale machen es für Einsteiger schwierig. Würden mehrere Elephone, UMIDIGI und Ulefone Smartphones nebeneinander gelegt werden, wäre es nur schwer möglich, diese richtig zu sortieren.
Das Marketingteam der einzelnen Marken macht dies leider nicht besser. Sie scheitern leider völlig daran potentiellen Kunden ihre Marke zu erklären und dessen Mehrwert darzustellen. Oft gibt es diesen leider auch nicht.
Deutlich wird dies daran, dass Performance- und Influencermarketing vollkommen an Shops wie GearBest abgegeben wird. Auch Techkou bekommt mittlerweile e-Mails, die Gratisprodukte versprechen. Interviews oder Videos will aber keiner. Komisch.
Dort sind mehrere hundert Leute angestellt, um täglich Smartphones, Tablets und andere Gadgets and Webseitenbetreiber, YouTuber etc. zu schicken oder um Facebookposts und -Werbung zu erstellen. Würden diese, ohnehin schon sehr kostenineffektiven, Werbemaßnahmen gestoppt werden, würde dies wohl das Aus für so manche Marke bedeuten.
Der Shop ist somit gleichzeitig auch die primäre Marketingagentur. Hinzu kommt der erbitterte Preiskampf, der auf Kosten der Produkt- und Marketingqualität ausgefochten wird.
GearBests Geniestreich
Wie auch immer man zu GearBest steht oder welche Probleme der Shop einem verursacht, das System ist genial! Man sammelt das Geld aller Hersteller, dessen Expertise nicht für eine eigene Strategie reicht, ein und anschließend wird es gleichmäßig für Werbemaßnahmen verteilt.
Nun braucht keineswegs mehr Geld über den Verkauf von Produkten wie Xiaomi Smartphones, die als Lockvogel für weitere Käufe bei GearBest gedacht sind, gemacht werden. Schließlich bezahlen die Marken für ein gigantisches Wachstum.
Dazu noch zollfreier und illegaler Transport, der die (wortwörtliche) Portokasse aller Beteiligten schont, und schon wurde ein Monster geschaffen. Genial und einfach!
Ist die Qualität des Shops somit anderen meilenweit voraus? Keineswegs, aber Globalegrow hat das größte Budget aller Konkurrenten und ist gar nicht an Gewinn interessiert. Schließlich gibt es noch andere Unternehmungen unter dem Dach der Firma.
So werden langsam aber sicher Marken, Shops und alle sonstigen Konkurrenten übernommen. Alles durch eine sehr clevere Strategie und der schamlosen Ausnutzung von Wettbewerbsvorteilen und Gesetzen.
Wenn GearBest weiter um 100% wächst, dann wird in 2018 die Milliardengrenze der Bruttoverkäufe geknackt werden können.
Für den Kunden wird sich die Situation aber wohl deutlich langsamer ändern. Schlechter Support, nicht funktionales Tracking, keine Transparenz, ungetestete/gefährliche Waren und illegale Einfuhrmethoden sind zum Teil essenziell für die Strategie von GearBest.
Nächster Endgegner: Aliexpress? Was denkt ihr, wann ist das Limit erreicht?